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Schwally, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 17. Abhandlung): Beiträge zur Kenntnis des Lebens der mohammedanischen Städter, Fellachen und Beduinen im heutigen Ägypten — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32892#0010
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10

Friedrich Schwally:

warten hat. Über die Gharaktereigenschaften der Auserkorenen
kann er auf diesem Wege kaum etwas Zuverlässiges hören, seibst
wenn seine Mittelspersonen aufrichtig wären. Desto mehr reden
cheselben von den äußeren Vorzügen des Mädchens: der blendenden
Weiße ihrer Haut, der üppigen Fülle (m^) ihres Leibes, der Schön-
lieit ihrer Augen oder ihrem, der Königin Bilkls zu vergleichenden
Reichtum.
Es soll zuweilen vorkommen, claß Eltern, die mehrere heirats-
fähige Töchter haben, der Hätiba ihre hübscheste Tochter zeigen,
aber später bei der Hochzeit dem Bräutigam ihre häßliche Schwester
hingeben. Wenn sie bibelkundig wären, könnten sie sic-h dabei
auf das Vorbild cles alten Vaters Laban berufen. Falls die weib-
lichen Verwandten des Bräutigams mit der Familie der Braut nicht
näher bekannt sind, kann solcher Betrug, namentlich in größeren
Städten, leicht unentdeckt bleiben. Wer sich vor unerfreulichen
Überraschungen dieser Art schützen will, muß seine Frau aus be-
freundeten oder verwandten Familien nehmen. Dah das Heiraten
von Kusinen bei den Mohammedanern so beliebt ist, hängt gewib
zum Teil auch mit diesen Verhältnissen zusammen.
Die meisten Eltern suchen ihre Töchter nach dem Eintritt der
Reife sobald wie möglich an den Mann zu bringen. Da nun die
Agypterin ihre Reife früher erreicht als die Mädchen nördlicher
Länder, so kommt sie gar nicht selten schon im Alter von 12 oder
13 Jahren in die Ehe. Solche jungen Dinger sind selbstverständ-
lich noch die reinen Kinder und weder imstande, einen Haushalt
zu führen, noch sich bei der Dienerschaft Autorität zu verschaffen.
iliren Männern gegenüber haben sie keine Persönlichkeit einzusetzen,
was das Entstehen einer tieferen Zuneigung sehr erschwert. Die
Männer betrachten denn auch soiche Frauen mehr wie Spielsachen,
ctie man wieder wegwirft, sobald man ihrer müde geworden ist.
Die allzu frühen Ehen haben, wie man mir sagt, auch große
körperliche Schäden für Frau und Ivinder im Gefolge (Hysterie der
Frau, große Sterblichkeit des Nachwuchses). Aus diesen hygienischen
und anderen schon oben angedeuteten sozialen Gründen suchen
es jetzt einsichtige Kreise durchzusetzen, daß ein Mädchen nicht
vor dem 16. Jahr zur Ehe genommen wird.
In diesem Zusammenhange muh ich der rohen Behandlung
gedenken, welcher die Braut noch vielfach in der, leilet el-dufyle ge-
nannten Hochzeitsnacht ausgesetzt ist. In dieser Nacht vollzieht
 
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