22 Friedrich Schwally:
und Spaziergängen Gesellschaft leisten können [während das den
einheimischen Frauen durch die Sitte verwehrt ist]. Ich kann mir
aher nicht vorstellen, daß ein Mann Gefallen daran finden sollte,
wenn ihm seine Frau wie ein Schatten auf Schritt und Tritt folgt.
Wir ägyptische Frauen hätten das schon längst getan, wenn wir
nicht wüßten, dafi es unsere Männer verdrießen und langweilen
würde. Ich bin also auherstande, der Europäerin einen Vorzug ein-
zuräumen. Nur eines hat sie vor uns voraus — gebe Gott, daß wir
es nie lernen! —, die Erfahrung in allen Künsten der Verführung.
Sie versteht es meisterlich, die Herzen der Männer an sich zu ziehen
und ihre Netze nach ihnen auszuwerfen. Darum möge jeder
Agypter, den ein solches Weib mit koketten Bewegungen und
glatten Worten gekapert hat, es sich gesagt sein lassen, daß es
diese Künste schon früher an zwanzig Europäern ausprobiert hat. Wie
kann der Stolz und clie Eifersucht des Orientalen mit einem süßen
Gericht vorlieb nehmen, clas am Feuer eines andern gekocht und
schon vielen andern vorgesetzt worclen ist.“
Die Geringschätzung des weiblichen Geschlechtes findet sclion
bei seinem Eintritt in die Welt unverblümten Ausdruck. Während
bei cler Geburt eines Knaben große Freude herrscht und Venvandte
uncl Freunde zur Gratulation herbeieilen, erzeugt clie Geburt eines
Mädchens eine geclrückte, verlegene Stimmung uncl schließt jede
Beglückwünschung aus.
Im Hause eines meiner ägyptischen Freunde befindet sich
eine Dienerin namens Behäterhä. Äls ich nach clem Sinne dieses
Namens frug, ward mir folgender Bescheid: Das Mädchen war in
Abwesenheit ihres Vaters zur Welt gekommen. Als clieser heim-
kehrte, entschuldigte sich die Hebamme, daß sie ihm diesmal nur zu
einer Tochter hätte verhelfen können. Da antwortete der Vater:
hehäterha, cl. h. «das ist ihre Sache», oder «ich kann nichts dafür».
Dieser unverhoffte Gleichmut bereitete der Mutter so große Freude,
daß sie der Neugebornen den Namen Behaterha gab. Obschon
diese Erklärung wahrscheinlich nicht ganz richtig ist — denn das-
selbe Wort, nur mit männlichem Suffix, ist als Mannesname zu be-
legen1 —, so ist die Episode doch nicht minder lehrreich.
Sieben Tage nach der Geburt werden verschiedene merk-
würdige Gebräuche geübt. Man stellt in das Zinmier der Wöchnerin
1 Vgl. z. B. Martin Hartmann, Lieder der Libijschen Wiiste, Leipzig 1899,
S. 221.
und Spaziergängen Gesellschaft leisten können [während das den
einheimischen Frauen durch die Sitte verwehrt ist]. Ich kann mir
aher nicht vorstellen, daß ein Mann Gefallen daran finden sollte,
wenn ihm seine Frau wie ein Schatten auf Schritt und Tritt folgt.
Wir ägyptische Frauen hätten das schon längst getan, wenn wir
nicht wüßten, dafi es unsere Männer verdrießen und langweilen
würde. Ich bin also auherstande, der Europäerin einen Vorzug ein-
zuräumen. Nur eines hat sie vor uns voraus — gebe Gott, daß wir
es nie lernen! —, die Erfahrung in allen Künsten der Verführung.
Sie versteht es meisterlich, die Herzen der Männer an sich zu ziehen
und ihre Netze nach ihnen auszuwerfen. Darum möge jeder
Agypter, den ein solches Weib mit koketten Bewegungen und
glatten Worten gekapert hat, es sich gesagt sein lassen, daß es
diese Künste schon früher an zwanzig Europäern ausprobiert hat. Wie
kann der Stolz und clie Eifersucht des Orientalen mit einem süßen
Gericht vorlieb nehmen, clas am Feuer eines andern gekocht und
schon vielen andern vorgesetzt worclen ist.“
Die Geringschätzung des weiblichen Geschlechtes findet sclion
bei seinem Eintritt in die Welt unverblümten Ausdruck. Während
bei cler Geburt eines Knaben große Freude herrscht und Venvandte
uncl Freunde zur Gratulation herbeieilen, erzeugt clie Geburt eines
Mädchens eine geclrückte, verlegene Stimmung uncl schließt jede
Beglückwünschung aus.
Im Hause eines meiner ägyptischen Freunde befindet sich
eine Dienerin namens Behäterhä. Äls ich nach clem Sinne dieses
Namens frug, ward mir folgender Bescheid: Das Mädchen war in
Abwesenheit ihres Vaters zur Welt gekommen. Als clieser heim-
kehrte, entschuldigte sich die Hebamme, daß sie ihm diesmal nur zu
einer Tochter hätte verhelfen können. Da antwortete der Vater:
hehäterha, cl. h. «das ist ihre Sache», oder «ich kann nichts dafür».
Dieser unverhoffte Gleichmut bereitete der Mutter so große Freude,
daß sie der Neugebornen den Namen Behaterha gab. Obschon
diese Erklärung wahrscheinlich nicht ganz richtig ist — denn das-
selbe Wort, nur mit männlichem Suffix, ist als Mannesname zu be-
legen1 —, so ist die Episode doch nicht minder lehrreich.
Sieben Tage nach der Geburt werden verschiedene merk-
würdige Gebräuche geübt. Man stellt in das Zinmier der Wöchnerin
1 Vgl. z. B. Martin Hartmann, Lieder der Libijschen Wiiste, Leipzig 1899,
S. 221.