Metadaten

Schwally, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 17. Abhandlung): Beiträge zur Kenntnis des Lebens der mohammedanischen Städter, Fellachen und Beduinen im heutigen Ägypten — Heidelberg, 1912

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32892#0025
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Mohammedanische Städter, Fellachen u. Beduinen im heutigen Agypten. 25
ganz vermummte Frau, welche mit schöner Modulation Koran
jvzitierte. Nachdem wir unsere Schuhe ausgezogen und einem
Moscheediener in Verwahrung gegeben hatten, begaben wir uns
zunächst in den heiligsten Raum, um den Umgang um das Grab-
mal zu machen, die Fätl.ia (^ull d. i. die erste Süre des Korans)
herzusagen und zu größerer Verdienstlichkeit das Gitter, Avelches das
Grabmal umgibt, zu berühren. Von hier aus betraten wir die nörd-
lich davon gelegene Halle. An deren einer Schmalseite saßen etwa
fünfzig Personen, die in Doppelreihen einen Kreis bildeten. Ihre
Kieidung war teils die moderne türkische — europäischer Anzug
mit Tarbüsch (Fez) —, teils die alte — Kaftan mit Turban —.
Die älteren und vornehmeren Personen befanden sich alle an der
Kibla-Seite. Sie rezitierten Lobpreisungen Hosen’s, indem sie ihren
Oberkörper abwechselnd vor und rückwärts, selten seitwärts wiegten.
In clen Pausen reichten ihnen Moscheediener Kaffee und Scherbet,
während ein Fiklh Koran rezitierte. Wenn dieser einen Vers sehr
schön vortrug ocler eine sehr berühmte Stelle zu Gehör brachte,
äußerten die zahlreichen Zuhörer ihren Beifall, inclem sie ein eigen-
tümlich in die Idöhe gezogenes Allä—äh oder Jä Rab—b ver-
nehmen ließsen.
Nachdem wir etwa eine Stunde cliesen Vorträgen gelausclit
hatten, begaben wir uns nach einer ancleren Halle der Moschee,
in cleren vier Ecken je eine Gesellschaft von clurchschnittlich 20—30
Personen Zikr-Übungen (jf's) abhielt. Während der vorhin er-
wähnte Sängerkreis fast ausschließlich aus Ägyptern bestancl, machte
sich hier das berberinische uncl sudanesische Element schon selir
stark bemerkbar. Man sah clie verschieclensten Trachten, doch über-
wog die Gallablje, das Kleicl cler kleinen Leute. Dab man An-
gehörige der niedersten Stände vor sich hatte, bewiesen auch die
zahlreichen unsauberen und zerlumpten Gestalten. Nur die Berbe-
riner, welche überhaupt viel auf ihr Äußeres halten, machten eine
rühmliche Ausnahme.
Außerhalb der Moschee, in den sie im Norden und Osten um-
gebenden Gassen und Plätzen fanden noch an etwa 12 — an anderen
Tagen bis zu 20 — verschiedenen Stellen Zikr-Übungen statt, im
Freien wie in gedeckten Räumen. Die Veranstalter waren ebenfalls
Leute der niedersten Schichten.
•Jede Zikr-Gesellschaft bildete zwei Reihen, die einander gegen-
überstanden. Die einzelnen Personen hatten die Füße etwas aus-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften