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Boll, Franz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]; Bezold, Carl [Bearb.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 18. Abhandlung): Eine arabisch-byzantinische Quelle des Dialogs Hermippos — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32893#0022
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22

Franz Boll:

mehr gegen sich. Die Textgestaltung wird nun, wo die späte Zeit
des Yerfassers feststeht, manche Retouche wieder aufgeben müssen.
Aber auch sachlich wird es eine keineswegs undankbare Aufgabe
für einen Kenner der byzantinischen Philosophie und Literatur
werclen, die Gestalt dieses eigenartigen Vertreters des byzantinischen
Frühhumanismus herauszuarbeiten, seine sicherlich auch sonst
grobenteils byzantinischen Quellen zu tinden und mit ihm zu ver-
gleichen und seine Schriften ais Zeugnisse für die Denkweise und
die klassizistische Tendenz dieses byzantinischen Frühhumanismus
zu verwerten. Als bedingter Verteidiger der Astrologie pabt er
vortrefflich in dieses 14. Jahrhimdert, an dessen Beginn die Auf-
nahme der persischen Astronomie auch dem astrologischen Interesse
neue Nahrung gab08; und in seiner Erneuerung platonischer Philo-
sophie und neuplatonischer Mystik mit christlichem Einschlag ist er
ein Nachfolger des Psellos, aber auch ein Vorläufer jener Er-
scheinungen wie Gemistos Plethon, die zu Marsilius Fieinus’ Wirk-
samkeit. überleiten. Und wenn er sich im 1. Kapitel seines AVerkes
dagegen verwahrt, die Natur zu verteufeln (διαβάλλαν)59, und die
unbedingte Geltung des Evangeliums in Wahrheit beiseite schiebt,
indem er sie anzuerkennen versichert, so leitet er, trotz seines
partiellen Glaubens an die Astroiogie, den die ganze Renaissance,
Marsilius Ficinus an der Spitze, mit ilnn teilt, zu dem freien Geiste
der langsam anbrechenden neuen Zeit über.
58 Vgl. Usener, Ad histor. astron. symb., Progr., Bonn 1876; Krumbacher, Byz.
Lit.-Gesch.2 622 f. und meine Ausführungen, Sitzungsber. Miinch. Akad. 1899, 10S ff.
Die mittelgriechischen Übersetzungen aus 'Apomasar’ (vgl. Usener, S. 21; Ruelle,
a. a. 0. p. 32 ff. und die Indices des Catal. codd. astrol.) müssen einmal für sich
betrachtet werden.
59 Auch in dem Dialog Hermodotos, v. 500 ff., läßt er den einen Unterredner
ähnliche Gedanken vertreten, und der Schluß cles Ganzen nimmt keineswegs nur
f'iir den Gegner Partei. — Die Astrologie wird gestreift und gerechtfertigt auch in
dem Dialog Musokles, v. 465 ff., in deutlichem Ankiang an Hermippos p. 9, 23 ff.,
wie schon Elter angemerkt hat. Allerlei Astronomisches wird auch in dem Spott-
gedicht auf Neophytos, Matrangall, 680 f., v. 162 ff. und 201 ff. hereingezogen, aller-
dings als die deplazierte Weisheit des Verhöhnten. — Die Quellen der zwei Dialoge
Hermodotos und Musokles (die an Interesse dem Hermippos nicht gleichkommen)
sincl wohl auch noch nicht vollständig erkannt, so dankenswert Elters zahlreiche
Hinweise hesonders auf Stobaeus sind. Die merkwürdige und sehr lebendig
durchgefuhrte Parallele zwischen dem Leben der Vögel und dem der Menschen,
Musokles v. 302—441. hat gewiß eine antike (kynische?) Quelle. Der βίος θ€ώρη-
τικός wird schließlich als der αριστος ,βίος erkannt, in ganz antikem Sinne: ich
möchte in der vorausgehenden Partie v. 441 ff. eine Spitze gegen das Mönchsleben
vermuten, dem bei aller Askese und Unabhängigkeit die philosophische Erkennt-
nis, die γνώσις τών οντιυν, und damit die letzte Vollkommenheit fehlt.
 
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