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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 3. Abhandlung): Rafael und der Abt Gregorio Cortese — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32878#0004
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Eberhard Gothein:

der seine später als ketzerisch verrufenen Dialoge hier spielen
läßt, scheinbar einträchtig zusammenfmden.
Es versteht sich fast von selber, daß« ein Mann dieser Art
auch den künstlerischen Bestrebungen seiner Zeit nicht ferne
stand. Seine Bemühungen nach dieser Richtung liaben wenig
greifbaren Erfolg gehabt, aber wir verdanken ihnen die Kennt.nis
einer kleinen Episode aus den letzten Lebensjahren Rafaels, die
wir, wie bedeutungslos sie auch an sich ist, gern begrüßen. Jeder
noch S'O kleine Lichtstrahl, der uns das Leben dieses großen
Genius aufhellt, ist uns willkommen.1)
In einem Briefe gibt Cortese Anweisungen für den Umbau
des Ivlosters2) Lerin. Ein neues Refektorium (caenatio sagt der
Humanist in klassischem Abscheu vor dem barbarischen Wort)
ist erbaut worden, für Herbst wie Frühling mit günstiger Sonnen-
lage. Eine quadratische Vorhalle, der Kreuzgang also, soll in
ihrer Mitte einen kostbaren Brunnen aus karrarischem Marmor
erhalten: zwei Schalen übereinander, mit Drachen, Delphinen,
Meerungeheuern geziert, Auf der andern Seite soll sich ein
kleines Peristyl, das man wohl auch als Compluviale bezeichnen
könne, anschließen — die bekannte Anordnung des römischen
Hauses liegt ihm offenbar im Sinn. Dieses soll so recht als
Schmuckkästchen des ganzen Baus gelten. Er liegt darüber mit
seinem Architekten Pannutius in Streit. Dieser will in alter
Weise kleine gekoppelt.e Säulen mit gewundenen Schäften auf
hohem Stylobat mit Bogen anbringen, was er für das weitaus
ergötzlichste erklärt. Aber der klassisch gebildete Bauherr wider-
strebtq er verlangt gerades Gebälk, das auch schon den Vorteil

C Der Brief CORTESES, der diese Nachricht enthält, ist seit Jahrhunderten
gedruckt, aber er ist nie beachtet worden. Ich benütze die beste Ausgabe
GREGORII CORTESII, Monachi Cassinensis S. R. E. Cardinalis ornnia, quae huc
usqae colligi potuerunt, Patavii 1774, 2 vol. 4°, wo er Band II, epp. 135,
enthalten ist. Die üble Humanistengewohnheit, Briefe undatiert zu lassen, läßt
mis über das Jahr der Abfassung und des Auftrags an Rafael im Unsichem.
Nur der terminus ad quern ist mit Rafaels Tod 1520 gegeben. Als CORTESE
1521 zu längerem Aufenthalt nacli Rom kam, wo er ein Mitglied des
„Oratoriums der göttlichen Liebeli war, das sich später in den Zusammen-
künften in San Giorgio in Venedig fortsetzte, weilte Rafael nicht mehr unter
den Lebenden.
2) Der Herausgeber hat diese auf Corteses letzte Abtei San Benedetto be-
zogen, was durch die Beziehung zu Rafael ausgeschlossen ist, denn Cortese iiber-
nahm diese erst 1538.
 
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