Eberhard Gothein :
der antiken Spekulation, der Galanterie und der schwärmerischen
Gottesminne zurn vollendeten Ausdruck. An der Weise, wie
sich die andern Völker dieses Werk nnd mit ihm das Ideal
des vollendeten Individuums angeeignet haben, mag man sehen,
wie weit sie Plato zu erfassen mochten oder wie weit sie auf
dem Niveau mittelalterlicher Höfe verharrten.3) Des engen Zu-
samrnenhangs solcher Debatten mit denen des Mittelalters blieh
man sich wohl bewußt. An demjenigen Hofe, den man um
die Wende des 15. Jahrhunderts den geistig führenden Italiens
nennen kann, dem der Gonzaga. in Mantua, schrieb damals der
Hofphilosoph Marius Equicola «Di natura d’amore».
Es ist ein Bucli ganz ohne die Grazie der Asolani und des
Cortigiano, aber es faßt seinen Gegenstand aufs gründlichste,
literargeschichtlich, systematisch, psychologisch. Gründlichkeit
ist allerdings gerade hei diesem Stoffe nicht der erste der Vor-
züge ; aber etwas Pedanterie gehört auch zu dem Bilde der hoch-
sinnigen Frau und Musterfürstin, der es gewidmet ist, Isabella
Gonzaga. Sie hat Equicola das Programm wohl ebenso zu-
diktiert, wie sie einem Großen, Andrea Mantegna, das Progranun
der Bilder vorschrieb, die ihrem Inhalt nach so ganz antikischer
Manier werden sollten und so gründlich mittelalterliche Aliegorien
vom Kampf der Laster und Tugenden geblieben sind. Hier werden
alle, die über die Liebe geschrieben, sorgfält.ig analysiert, Jean
de Meung, Guittone, die Provenzalen, um alsdann die Platoniker
mit Ficinus an der Spitze folgen zu lassen und auf alle die
eignen Theorien .ajufzubauen. Man fühlt sich daran gemahnt,
daß zur gleichen Zeit an den italienischen Höfen auch die alten
französischen Romane eifrig gesammelt und gelesen wurden.
Dieser Reichtum an Quellen wurde die Voraussetzung für die
großen Ritterepen, in denen sich Antike und Mittelalter zu einem
3) Bekanntlich ist sogar für die polnische Literatur und Geselligkeit die
Bearbeitung des Gortigiano das maßgebende Buch geworden. Besonders inter-
essant aber ist die ganz freie spanische Bearbeitung oder besser Weiterführung.
In ihr fällt das philosophische platonisierende Moment ganz weg, während das
gesellige in lebhaften und geistreichen Unterhaltungen trefflich fortgebildet er-
scheint: ein italienischer Hof — der des Sohnes Federigos von Neapel, den
man mit der Würde eines Vizekönigs von Valencia imd der jungen Witwe
Ferdinands des Katbolischen abgefunden — mit einer provenzalischen Fürstfn
auf spanischem Boden! Für die Aufnahme italienischen Wesens, vermittelt
durch elegante Geselligkeit, in die spanische Kultur ist das wenig beachtete
Werk eine Hauptquelle. Luis MlLAN, E1 Cortesano (Col. libr. esp. rar. VII).
der antiken Spekulation, der Galanterie und der schwärmerischen
Gottesminne zurn vollendeten Ausdruck. An der Weise, wie
sich die andern Völker dieses Werk nnd mit ihm das Ideal
des vollendeten Individuums angeeignet haben, mag man sehen,
wie weit sie Plato zu erfassen mochten oder wie weit sie auf
dem Niveau mittelalterlicher Höfe verharrten.3) Des engen Zu-
samrnenhangs solcher Debatten mit denen des Mittelalters blieh
man sich wohl bewußt. An demjenigen Hofe, den man um
die Wende des 15. Jahrhunderts den geistig führenden Italiens
nennen kann, dem der Gonzaga. in Mantua, schrieb damals der
Hofphilosoph Marius Equicola «Di natura d’amore».
Es ist ein Bucli ganz ohne die Grazie der Asolani und des
Cortigiano, aber es faßt seinen Gegenstand aufs gründlichste,
literargeschichtlich, systematisch, psychologisch. Gründlichkeit
ist allerdings gerade hei diesem Stoffe nicht der erste der Vor-
züge ; aber etwas Pedanterie gehört auch zu dem Bilde der hoch-
sinnigen Frau und Musterfürstin, der es gewidmet ist, Isabella
Gonzaga. Sie hat Equicola das Programm wohl ebenso zu-
diktiert, wie sie einem Großen, Andrea Mantegna, das Progranun
der Bilder vorschrieb, die ihrem Inhalt nach so ganz antikischer
Manier werden sollten und so gründlich mittelalterliche Aliegorien
vom Kampf der Laster und Tugenden geblieben sind. Hier werden
alle, die über die Liebe geschrieben, sorgfält.ig analysiert, Jean
de Meung, Guittone, die Provenzalen, um alsdann die Platoniker
mit Ficinus an der Spitze folgen zu lassen und auf alle die
eignen Theorien .ajufzubauen. Man fühlt sich daran gemahnt,
daß zur gleichen Zeit an den italienischen Höfen auch die alten
französischen Romane eifrig gesammelt und gelesen wurden.
Dieser Reichtum an Quellen wurde die Voraussetzung für die
großen Ritterepen, in denen sich Antike und Mittelalter zu einem
3) Bekanntlich ist sogar für die polnische Literatur und Geselligkeit die
Bearbeitung des Gortigiano das maßgebende Buch geworden. Besonders inter-
essant aber ist die ganz freie spanische Bearbeitung oder besser Weiterführung.
In ihr fällt das philosophische platonisierende Moment ganz weg, während das
gesellige in lebhaften und geistreichen Unterhaltungen trefflich fortgebildet er-
scheint: ein italienischer Hof — der des Sohnes Federigos von Neapel, den
man mit der Würde eines Vizekönigs von Valencia imd der jungen Witwe
Ferdinands des Katbolischen abgefunden — mit einer provenzalischen Fürstfn
auf spanischem Boden! Für die Aufnahme italienischen Wesens, vermittelt
durch elegante Geselligkeit, in die spanische Kultur ist das wenig beachtete
Werk eine Hauptquelle. Luis MlLAN, E1 Cortesano (Col. libr. esp. rar. VII).