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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 5. Abhandlung): Platos Staatslehre in der Renaissance — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32880#0023
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Platos Staatslehre in der Renaissance.

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aber vom Senat gemeinsam mit dem Herrscher nach ihrer Ein-
sicht der Umstände geändert. Dies entspricht einer Hauptfor-
derung des TToXiriKog, in dem Plato gegen die starre Herrschaft
des objektiven Gesetzes polemisiert, der also noch weit von dem
Rigorismus der Nojuot entfernt ist.
Fehlt nun aber nicht der Hauptgedanke Dantes, um dessen-
willen doch eigentlich die ganze Monarchia geschrieben war:
die Trennung der weltlichen und geistlicben Gewalt, die Un-
abhängigkeit beider voneinander, ihre wechselseitige Ergänzung?
Er ließ sich freilich schlecht in die Gedankenwelt Platos über-
tragen. Ficinus führt denn aüch aus dem TToXitikoi;15) lind den
Briefen Platos als dessen Ansicht an, daß der König selber
Priester sein müsse wie in Ägypten. Er hat dabei wohl wenig
an einen Cäsaropapismus gedacht. Der Gedanke Dantes liegt ihm
vielmehr trotz Plato im Kopfe; und so fmdet er denn schließlich
auch ihn wieder in dem Mythus des TToXixiKÖg von den Reichen
des Kronos und des Zeus, die abwechselnd einsetzen, je nachdem
die Weltaxe vorwärts oder rückwärts gedreht wird. Hier sei
es ja offenbar ausgesprochen, daß die glückliche saturnische
Welt die sei, in der die Handlung des Erkennens, der Kontem-
plation wegen, sich vollziehe, während im Reich des Zeus um-
gekehrt das Erkennen dem Handeln dient, so daß die beiden
Götter selber der eine die höchste Intelligenz, der andere diei
tätige Weltseele bedeuten. Nur folgen diese beiden Reiche nicht
aufeinander, sondern sie gehen nebeneinander her. Jene, die
der Welt des Kronos angehören, genießen im Anschauen die
Wahrheit, und die barock-humoristische Schilderung Platos, wie
in dieser verkehrten Welt auch das Menschengeschlecht rück-
wärts vom Greisenalter zur Geburt verläuft, gilt ihm als ein
Symbol dafür, daß diese Menschen des reinen Schauens und
Erkennens sich täglich verjüngen. Die Hauptsache war doch,
daß die Unabhängigkeit der zwei Reiche des Schauens und Han-
delns, daß das Nebeneinander zweier Herrscher, die sich nur
ergänzen, nie durchkreuzen, anerkannt war. Jeder durfte sicli
nun unter Jupiter den Weltmonarchen und unter Saturn den
Papst vorstellen. — Dante und Plato gingen aucli hier einträchtig
miteinander.
Ein seltsames Doppelspiel, wie es in dieser Weise der neue
Plato Marsilius Ficinus nicht zum zweitenmal gewagt hat! Und

15) Politic., p. 290.
 
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