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Windelband, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 9. Abhandlung): Über Sinn und Wert des Phänomenalismus: Festrede — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32884#0018
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18

W. Winrlelband.

nicht ausgeglichen, daß der Philosoph häufig genug warnt. man
möge diese zeitlose Abhängigkeit der Erscheinung vom Ding-
an-sich wohl unterscheiden von der zeitlichen Abhängigkeit der
Erscheinungen untereinander: wir erhalten dadurch nur die
zwei Arten der Kausalität, die Spinoza als unendliche und end-
liche unterschieden hat.
Mit der Kategorie der Kausalität steht jedoch der Phäno-
menalismus während seiner ganzen historischen Entwicklung in
sehr nahen, aber auch recht verwickelten Beziehungen: ihr ver-
dankt er so schwierige und exponierte Situationen, wie sie
z. B. dem kritischen Phänomenalismus bekanntlich aus Kants
Lehre von der Affektion der Sinnlichkeit durch Dinge-an-sich er-
wachsen ist. Wollte man sich bei diesem Prohlem in die Deutung
flüchten, es handele sich lediglich um ein Kausalverhältnis
zwischen den Körpern, den Erscheinungen des äußeren Sinnes,
als Ursachen und den Empfindungen, den Erscheinungen des
inneren Sinnes, als Wirkungen, so blieb doch immer als nicht
fortzudeuten die Gesamtauffassung auch bei Kant bestehen,
daß jeder Erscheinung ehvas Ding-an-sichhaftes „entsprechen“
müsse, das eben darin erscheine und sie bestimme. In gröberer
Form hat diese Auffassung von jeher in den phänomenali-
stischen Theorien ihre Rolle gespielt. Galten die Erscheinungen
überhaupt als Wirkungsweisen des Wesens, so wurden sie im
besonderen als „subjektive Erscheinungen“ zu Wirkungen der
Dinge auf das wahrnehmende Bewußtsein. Ja, das ist recht
eigentlich der spezifische Begriff der Erscheinung im erkenntnis-
theoretischen Sinne des Worts: in dieser Bedeutung hat er die
Struktur des naturwissenschaftlichen Phänomenalismus von An-
fang an bestimmt. Die verschiedenen Bewegungen der Körper
- so scheint bereits Protagoras gelehrt zu haben — wirken auf
das Bewußtsein durch die Erzeugung verschiedener Empfm-
dungen, und zwar so, daß Reize und Bewußtseinszustände mit
abgestufter Gesetzmäßigkeit einancler eindeutig zugeordnet sincl.
Im Prinzip lehrt man bei aller Feinheit der Detailausführung,
welche die Forschung inzwischen gebracht hat, doch heute noch
genau classelbe. In diesem Sinne werden die Vorstellungen zu
Zeichen für clie Dinge, und man wiederholt in dieser Theorie
gern, daß ein Zeichen nicht die Aufgabe und cleshalb auch nicht
das Anrecht habe, für ein Abbild des Bezeichneten zu gelten.
Daher hat der naturwissenschaftliche Phänomenalismus ein
 
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