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Partsch, Josef; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 12. Abhandlung): Studien zur Negotiorum Gestio I. — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33055#0052
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52

Josef Partsch:

Reskript Cod. 5, 56, 4, pr. (anno 294) ist zunächst der Satz aus-
gesprochen, daß man den pupillus zur actio tutelae nicht nötigen
kann. Warum hätte das Bedürfnis zu solchem Nötigen bestanden,
wenn der tutor selbst mit der actio tutelae contraria die Einlassung
des pupillus auf die Frage erzwingen konnte: quidquid alterum
alteri dare facere oportet ? —- Das klassische Recht kennt eben
noch keinen Anspruch des tutor auf Anerkennung seiner Rech-
nungslegung! Was D. 27, 4, 3, 1 für das klassische contrarium
iudicium tutelae sagt, gilt im klassischen Rechte schlechthin für
den tutor: er kann keine Liberationserklärung verlangen. Nach-
her heißt es ausclrücklich im Codex: Zum Schutze gegen zukünftige
frivole Ansprüche des Mündels und zur Hemmung des Zinsenlaufes
könne der tutor nur durch Zustellungen den Mündel zur Erhebung
der Tutelklage herausfordern, und wenn er sich entzöge, zu Protokoll
des Statthalters den Grund dieses Vorgehens in fürsorglicher Be-
weisaufnahme feststellen lassen. Mit dieser jämmerlichen Schutz-
losigkeit des tutor ist doch eine actio contraria tutelae mit intentio
auf das quidquid dare facere. oportet ex fide bona ebenso un-
vereinbar wie jene justinianischen Stellen 1. Hinzu kommt, daß
die angebliche Papiniansentscheidung D. 22, i, 1, 3 kräft.igste
Zeichen der Interpolation trägt, die schon Beseler geltend
machte 2. Die Klassiker kannten dieses ultro convenire der selb-
ständigen Ivlage des tutor wegen Verweigerung der Rechnungs-
legung nicht, aber den Byzantinern lag sie ebenso nahe wie den
Westgoten im Gesetze Recessvinds (Lex Visigoth. 4, 3, 4). Aller
Walirscheinlichkeit nach war der klassische Rechtszustand für den
tutor wirklich nur an die actio negotiorum gestorum utilis geknüpft.
Mit ihr konnte der tutor zwar eigene Aufwendungen ersetzt ver-
langen, aber er hatte bei dieser Klage keine Möglichkeit, die
Abrechnung mit dem pupillus auf einem Umwege herbeizuführen,
da hier der Geschworene nicht durch demonstratio und intentio
auf die Nachprüfung der Verpfliclitung aus der Tutel verwiesen
war. Wenn es richtig ist, daß der tutor als Ersatzklage die actio

1 Für den Gegensatz zwischen klassischem und justinianischem Recht
scheint mir der Kommentar bedeutsam, den Cod. 5, 56, 4, 1 in den Scholien
der justinianischen Juristen findet (schol ad Bas. 38, 17, 4, Heimb. 3, 784).
Theodorus spricht vom jxaQayyeVieLv rj TceQixQejzeaftai eig dixr[v, der in den
Basiliken iiberlieferte Text von xaheZv elg dixaaxriQiov. Hier ist im Gegen-
satz zum Kodex eine Klage des tutor gegen den pupillus erwähnt!

2 Beseler, Beiträge 2, 25. Vgl. auch Albertario, Hodie, Pavia
1911 p. 12.
 
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