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Partsch, Josef; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 12. Abhandlung): Studien zur Negotiorum Gestio I. — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33055#0054
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54

Josef Partsch:

durch ,iudicio persequr den Anschein erwecken sollte, als spräche
schon das klassische Fragment von einer selbständigen Tutel-
klage des Vormuncles.

Aber wie schon angedeutet, muß meines Erachtens der Be-
griff contrarium iudicium eben anders verstanden werden, als es
heute die herrschende Lehre tut, welche die actio contraria ohne
weiteres mit iudicium contrarium gleichsetzt * 1. Nach der heute
wohl allgemein herrschenden Lehre wäre die Formel mit gegen-
seitiger Prästation (quidquid ob eam rem alterum alteri dare . . .
oportet) nur eine bequeme Verbindung an sich selbständiger
Klagformulare, nämlich einer actio directa und einer actio con-
traria. Aber der klassische Gedanke ist das niclit. Die Klassiker
verstanden unter dem iuclicium contrarium nicht einen materiellen
Klaganspruch, der für die Rechtssystematik in gegenläufiger
Parallele zu einem iudicium directum steht, sondern sie dachten
an die Schriftformel des einzelnen Prozesses, die dergestalt ge-
baut ist, daß ein ,in contrarium ire litem‘ 2 möglich ist, eine Verur-
teilung auch des Klägers. Schon bei Cicero tritt diese Bedeutung
des iudicium contrarium hervor. Er spricht in der berühmten
Stelle vom officium des iudex bei den bonae fidei iudicia und hebt
hervor, daß hier sogar die gegenseitig bestehende Verbindlichkeit
manchmal Gegenstand der richterlichen Prüfung sei: praesertim

actionis im Text des Hermogenianus zu ergänzen. Man braucht nur die
überlieferten Zeilenreste und die notwendig fehlenden Stücke nachzuzählen,
um festzustellen, daß condicticiae actionis im Text der Vat. fr. 286 nicht
gestanden haben kann: es sind etwa 10 Buchstaben zuviel auf der Zeile! —

Consequi debet ist dagegen der übliche Terminus fiir den Klassiker.
Ygl. die Zusammenstellung Yoc. iur. rom. s. v. debeo 2, 58.

1 Statt aller vgl. Wlassak, art. actio. Pauly-Wissowa I, 312; s. v.
actio directa.

2 Unjuristischer literarischer Ausdruck bei Quintilian decl. 311 p. 223, 13
(ed. Ritter). Der Ausdruck actio directa oder iudicium directum im Gegen-
satz zu actio contraria oder dem iudicium contrarium ist dem Ivlassiker
überhaupt fremd. Selbst in dem kontaminierten Digestenmaterial steht
er nur ein einziges Mal: D. 3, 5, 19 (20). Und fiir diese Stelle ist die Inter-
polation schon von Segre a. O. p. 292, 293 n. 2 behauptet. Die oben ge-
machten Ausführungen zum klassischen Begriff des iudicium contrarium
bleiben natürlich unzureichend, solange nicht auf denselben Begriff bei den
Formeln aus Commodat (D. 13, 6 fr. 5, 8; fr. 17, 3; fr. 18, 4; 21 pr.) und bei
dem Depositum (D. 16, 3, 5 pr.) wie bei der Pfandklage (actio pigneraticia:
D. 13, 7, 9 pr., actio fiduciae D. 13, 7, 22, 3) eingegangen wird. Meines Er-
achtens ist hier überall, wo nicht deutlich die Klage mit gegenseitiger Prästation
in Frage steht, wie in D. 13, 6, 18, 4, das „contrarium“ interpoliert.
 
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