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Josef Partsch:
lichen Lehre bezogen, ist das Fragment schwer zu verstehen:
man begreift nicht, welcher Anlaß eigentlich den Gedanken
so nahe legte, den Celsus hier ablehnt, wenn actio tutelae und
actio tutelae contraria zwei selbständige Klagformeln sind. Aber
die Frage steht ganz anders, wenn das contrarium iudicium die
gegenseitige Prästation enthielt und der tutor mit solcher
Formel belangt worden war. Hier mußte eigentlich der Gedanke
naheliegen, daß die gesamte Litiskontestationswirkung des Erst-
prozesses von der in integrum restitutio notwendig beseitigt war.
Celsus lehnt das ab, und dieses responsum hat einen Sinn, da es
durchaus unpraktisch war, nochmals über erledigte Ersatzan-
sprüche des tutor zu verliandeln, wenn es sich nur um die Reszission
der Litiskontestation insoweit handelte, als sie die Ansprüche
gegen den tutor betraf.
Was sonst in den Digesten oder Codex an angeblich klassischem
Material zum contrarium iudicium tutelae erhalten ist, fügt sich
entweder dieser Auffassung vom contrarium iudicium als der
Klage mit gegenseitiger Prästation 1 oder läßt den Gedanken zn,
daß ein anderes Wort als contrarium im klassischen Texte stand 2,
1 Über D. 27, 4, 1, 5—7 fr. 3 pr.—§ 8, fr. 4 vgl. oben S. 49 f.
2 Ulp. D. 27, 4, 5. Paulus D. 27, 4, 6 sprechen von der contraria actio
des Tutors. Im ersten Falle ist die Interpolation durch die weitschweifige
Fassung des responsum (actionem contrariam adversus eos habere posse)
angedeutet, aber eine Gewißheit wäre mit solchem Zeugnis allein natürlich
nicht zu erlangen. Im zweiten Falle handelt es sich um eine kurze Darstellung
der Liberationsansprüche bei Paul. 5 ad.Plaut. zum Titel der Mandatsklagen
(Lenel, Paul. fr. 1113). Voran ging ein Fall ediktaler negotiorum gestio
(D. 17, 1, 45, 2), es folgte im Zusammenhange ein Fall zur actio communi
dividundo (D. 10, 3, 15). Dazwischen stand vielleicht, wie Lenel (Pal. 1. c.)
vermutete, jene Stelle,die jetzt D. 27,4, ultist. Es macht keine Schwierigkeit an-
zunehmen, daß auch hier von der actio contraria der actio negotiorum gesto-
rum die Rede war, zumal nichts von einer Beendigung der Vormundschaft im
Tatbestande verlautet. Gerade, daß sofort geklagt werden kann, wenn
gezahlt ist, ja auch vorher, beiVorliegen einer Verpflichtung für den Mündel,
und ohne daß erst das Ende der Vormundschaft als Klagvoraussetzung
genannt würde, spricht dafür, daß hier eben im klassischen Text eine Ersatz-
klage stand, wie die hier verfochtene actio neg. gestor. utilis. Ähnlich wohl
Cod. 5, 58, 3 a. E. contrario Trib.; imp.: utili negotiorum gestorum, eine
Behauptung, die aber natürlich nicht scharf erweisbar ist und nur durch
das Gesamtergebnis gestützt werden kann.
Eine andere Interpolation statt contrarium bei dem Wort iudicium
könnte dort erfolgt sein, wo die Klassiker von einem iudicium rescissorium
sprechen mußten. Wenn der tutor suo nomine verurteilt war, ohne daß der
iudex bei dem arbitrium tutelae Rücksicht auf die compensatio wegen Gegen-
Josef Partsch:
lichen Lehre bezogen, ist das Fragment schwer zu verstehen:
man begreift nicht, welcher Anlaß eigentlich den Gedanken
so nahe legte, den Celsus hier ablehnt, wenn actio tutelae und
actio tutelae contraria zwei selbständige Klagformeln sind. Aber
die Frage steht ganz anders, wenn das contrarium iudicium die
gegenseitige Prästation enthielt und der tutor mit solcher
Formel belangt worden war. Hier mußte eigentlich der Gedanke
naheliegen, daß die gesamte Litiskontestationswirkung des Erst-
prozesses von der in integrum restitutio notwendig beseitigt war.
Celsus lehnt das ab, und dieses responsum hat einen Sinn, da es
durchaus unpraktisch war, nochmals über erledigte Ersatzan-
sprüche des tutor zu verliandeln, wenn es sich nur um die Reszission
der Litiskontestation insoweit handelte, als sie die Ansprüche
gegen den tutor betraf.
Was sonst in den Digesten oder Codex an angeblich klassischem
Material zum contrarium iudicium tutelae erhalten ist, fügt sich
entweder dieser Auffassung vom contrarium iudicium als der
Klage mit gegenseitiger Prästation 1 oder läßt den Gedanken zn,
daß ein anderes Wort als contrarium im klassischen Texte stand 2,
1 Über D. 27, 4, 1, 5—7 fr. 3 pr.—§ 8, fr. 4 vgl. oben S. 49 f.
2 Ulp. D. 27, 4, 5. Paulus D. 27, 4, 6 sprechen von der contraria actio
des Tutors. Im ersten Falle ist die Interpolation durch die weitschweifige
Fassung des responsum (actionem contrariam adversus eos habere posse)
angedeutet, aber eine Gewißheit wäre mit solchem Zeugnis allein natürlich
nicht zu erlangen. Im zweiten Falle handelt es sich um eine kurze Darstellung
der Liberationsansprüche bei Paul. 5 ad.Plaut. zum Titel der Mandatsklagen
(Lenel, Paul. fr. 1113). Voran ging ein Fall ediktaler negotiorum gestio
(D. 17, 1, 45, 2), es folgte im Zusammenhange ein Fall zur actio communi
dividundo (D. 10, 3, 15). Dazwischen stand vielleicht, wie Lenel (Pal. 1. c.)
vermutete, jene Stelle,die jetzt D. 27,4, ultist. Es macht keine Schwierigkeit an-
zunehmen, daß auch hier von der actio contraria der actio negotiorum gesto-
rum die Rede war, zumal nichts von einer Beendigung der Vormundschaft im
Tatbestande verlautet. Gerade, daß sofort geklagt werden kann, wenn
gezahlt ist, ja auch vorher, beiVorliegen einer Verpflichtung für den Mündel,
und ohne daß erst das Ende der Vormundschaft als Klagvoraussetzung
genannt würde, spricht dafür, daß hier eben im klassischen Text eine Ersatz-
klage stand, wie die hier verfochtene actio neg. gestor. utilis. Ähnlich wohl
Cod. 5, 58, 3 a. E. contrario Trib.; imp.: utili negotiorum gestorum, eine
Behauptung, die aber natürlich nicht scharf erweisbar ist und nur durch
das Gesamtergebnis gestützt werden kann.
Eine andere Interpolation statt contrarium bei dem Wort iudicium
könnte dort erfolgt sein, wo die Klassiker von einem iudicium rescissorium
sprechen mußten. Wenn der tutor suo nomine verurteilt war, ohne daß der
iudex bei dem arbitrium tutelae Rücksicht auf die compensatio wegen Gegen-