Studien zur Negotiorum Gestio I.
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oder beruht auf Interpolationen, welche überhaupt erst den Er-
satzanspruch des tutor im Wege eigener actio einführten 1.
forderungen genommen hatte, mußte die Berücksichtigung der nicht in Rech-
nung gestellten Gegenforderungen durch den praetor notwendig im Wege
der in integrum restitutio erfolgen. Denn sonst war ja der tutor aus der
Verurteilung im arbitrium tutelae infam geworden, ohne nachträglich bei
Einklagung seiner Gegenforderung so gestellt zu werden, wie er gestanden
hätte, wenn von vornherein durch das contrarium iudicium der actio tutelae
des Mündels nur die Anweisung zur gegenseitigen Prästation gegeben war.
Daher wird ursprünglich der Text D. 27, 4, 1, 4 nicht in so engem Zusammen-
hang mit D. 3, 5, 7 (8) 2 gestanden haben, wie in der Kompilation. Ich
meine also, D. 27, 4, 1, 4 ist verändert: Praeterea si tutelae iudicio qui scon-
venietur, reputare potest id quod in rem pupilli impendit: [sic erit arbitrii
eius utrum compensare an petere velit sumptus], quid ergo si iudex com-
pensationis eius rationem non habuit, an [contrario] (rescissorio) iudicio
experivi possit ? et utique potest: sed si reprobata est haec reputatio [et
adquievit], non debet [iudex] (practor) [contrario] (rescissorio) iudicio
id sarcire. Zu den Interpolationen im letzten Satze vgl. durchschlagend
Eisele, Z. Sav.-St. 18, 23; Beseler, Beitr. 2, 141 will sed si — sarcire ganz
streichen, aber das schießt sicherlich über das Richtige weit hinaus: sarcire
kommt ja bei Justinian überhaupt nicht vor! Bei den Klassikern vgl. D. 10,
3, 28, D. 31 78, 2; D. 43, 16, 4, 17, äuch Coll. 10, 9, 1 (Caracalla).
Der erste verdächtige Satz muß mit Rücksicht auf die neue actio
tutelae contraria Kompilatorenglosse sein, denn im folgenden ist deutlich,
daß nur von dem Kompensationsfall die Rede war, nicht von der selb-
ständigen Klage des tutor. Auch ist es nach klassischem Prozeßrecht ein-
fach unrichtig, daß der Aufrechnende die Aufrechnung als sicheres Recht
geltend machen kann und die Herabsetzung der klägerischen Forderung mit
Sicherheit erzwingt: im bonae fidei iudicium ruht ja die compensatio nur
auf dem guten Willen des iudex.
1 Auf Interpolation beruht die Erwähnung der actio contraria oder
des iudicium contrarium tutelae im Cod. 5, 44, 2, 1 (anno 224): aut; aut
contrario — experiri possis ist tribonianisch. Die klassische richtige Wen-
dung, iudex compensationis rationem habere possit, ist durch das Ein-
bauen der Erwirkung des contrarium iudicium tutelae in die schiefe
Wendung verkehrt, daß der tutor (!) compensationis rationem habere . . .
possit.
Sichere Interpolation ist das contrarium iudicium als selbständige
Ersatzklage tutelae auch in D. 27, 4, 4; vgl. oben S. 53 A. 2, und die actio con-
traria in D. 46, 3, 95, 10. Die letztgenannte Stelle bedarf einer Betrachtung:
Si mandatu meo Titio pecuniam credidisses, eiusmodi contractus similis est
tutori et debitori pupilli: et ideo mandatore convento et damnato, quam-
quam pecunia soluta sit, non liberari debitorem ratio suadet, sed et praestare
debet creditor actiones mandatori adversus debitorem, ut ei satisfiat, et
hoc pertinet tutoris et pupilli debitoris nos fecisse comparationem: nam
cum tutor pupillo tenetur ob id quod debitorem eius non convenit, neque
iudicio cum altero accepto liberatur alter, nec si tutor damnatus solverit
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oder beruht auf Interpolationen, welche überhaupt erst den Er-
satzanspruch des tutor im Wege eigener actio einführten 1.
forderungen genommen hatte, mußte die Berücksichtigung der nicht in Rech-
nung gestellten Gegenforderungen durch den praetor notwendig im Wege
der in integrum restitutio erfolgen. Denn sonst war ja der tutor aus der
Verurteilung im arbitrium tutelae infam geworden, ohne nachträglich bei
Einklagung seiner Gegenforderung so gestellt zu werden, wie er gestanden
hätte, wenn von vornherein durch das contrarium iudicium der actio tutelae
des Mündels nur die Anweisung zur gegenseitigen Prästation gegeben war.
Daher wird ursprünglich der Text D. 27, 4, 1, 4 nicht in so engem Zusammen-
hang mit D. 3, 5, 7 (8) 2 gestanden haben, wie in der Kompilation. Ich
meine also, D. 27, 4, 1, 4 ist verändert: Praeterea si tutelae iudicio qui scon-
venietur, reputare potest id quod in rem pupilli impendit: [sic erit arbitrii
eius utrum compensare an petere velit sumptus], quid ergo si iudex com-
pensationis eius rationem non habuit, an [contrario] (rescissorio) iudicio
experivi possit ? et utique potest: sed si reprobata est haec reputatio [et
adquievit], non debet [iudex] (practor) [contrario] (rescissorio) iudicio
id sarcire. Zu den Interpolationen im letzten Satze vgl. durchschlagend
Eisele, Z. Sav.-St. 18, 23; Beseler, Beitr. 2, 141 will sed si — sarcire ganz
streichen, aber das schießt sicherlich über das Richtige weit hinaus: sarcire
kommt ja bei Justinian überhaupt nicht vor! Bei den Klassikern vgl. D. 10,
3, 28, D. 31 78, 2; D. 43, 16, 4, 17, äuch Coll. 10, 9, 1 (Caracalla).
Der erste verdächtige Satz muß mit Rücksicht auf die neue actio
tutelae contraria Kompilatorenglosse sein, denn im folgenden ist deutlich,
daß nur von dem Kompensationsfall die Rede war, nicht von der selb-
ständigen Klage des tutor. Auch ist es nach klassischem Prozeßrecht ein-
fach unrichtig, daß der Aufrechnende die Aufrechnung als sicheres Recht
geltend machen kann und die Herabsetzung der klägerischen Forderung mit
Sicherheit erzwingt: im bonae fidei iudicium ruht ja die compensatio nur
auf dem guten Willen des iudex.
1 Auf Interpolation beruht die Erwähnung der actio contraria oder
des iudicium contrarium tutelae im Cod. 5, 44, 2, 1 (anno 224): aut; aut
contrario — experiri possis ist tribonianisch. Die klassische richtige Wen-
dung, iudex compensationis rationem habere possit, ist durch das Ein-
bauen der Erwirkung des contrarium iudicium tutelae in die schiefe
Wendung verkehrt, daß der tutor (!) compensationis rationem habere . . .
possit.
Sichere Interpolation ist das contrarium iudicium als selbständige
Ersatzklage tutelae auch in D. 27, 4, 4; vgl. oben S. 53 A. 2, und die actio con-
traria in D. 46, 3, 95, 10. Die letztgenannte Stelle bedarf einer Betrachtung:
Si mandatu meo Titio pecuniam credidisses, eiusmodi contractus similis est
tutori et debitori pupilli: et ideo mandatore convento et damnato, quam-
quam pecunia soluta sit, non liberari debitorem ratio suadet, sed et praestare
debet creditor actiones mandatori adversus debitorem, ut ei satisfiat, et
hoc pertinet tutoris et pupilli debitoris nos fecisse comparationem: nam
cum tutor pupillo tenetur ob id quod debitorem eius non convenit, neque
iudicio cum altero accepto liberatur alter, nec si tutor damnatus solverit