Studien zur Negotiorum Gestio I.
103
Der Gegensatz, in welchem das fr. 3 § 10 zu diesen Nachrichten
der Byzantiner wie andererseits zu den einzelnen Beobachtungen
unserer Darstellung (S. 46—72, 95—98) steht, ist im Wege der In-
terpretation nicht zu beseitigen. Das hat Wlassak (Neg. gestio
S. 140—150) gezeigt, indem er die Vermutungen der Älteren, die
sehr vielfach von den actiones utiles sprachen, abwies. Da Wlassaks
eigene Auffassung von der Bedeutung des Ediktes de negotiis
gestis den erkennbaren Tatsachen, welche zur Rekonstruktion
dienen können, nicht Rechnung trägt, bleibt nichts übrig, als
in der Stelle D. 3, 8, 3, 10 einen byzantinischen Eingriff zu ver-
muten 1: ich meine, Ulpian sagte, daß die ediktale Formel nur
denjenigen betrifft, qui sponte et nulla necessitate cogente immis-
cuit se negotiis alienis, während gesagt war, daß utilibus iudiciis
für denjenigen gesorgt werde, qui aliqua necessitate urguente
vel necessitatis suspicione gessit. Das ist zweifellos ein Gewalt-
streich gegen den justinianischen Text, aber doch eine Hypothese,
die den Vorteil hat, die Nachrichten der Klassiker wie die eigen-
artige byzantinische Theorie zu vereinen: wer den Digestentext
retten und die byzantinische Lehre von den utiles actiones negotio-
rum gestorum als späte Kommentatorentheorie ansprechen will, muß
beweisen, wie solche angeblich ganz unklassische Lelire entstanden
sein soll, im scharfen Widerspruch zum Text der justinianischen
Gesetzestexte. Solange dieser Beweis nicht gefiihrt ist, muß die
byzantinische Juristenschule als ebensowohl unterrichtet gelten,
wie sie es zweifellos in zahlreichen anderen Fragen war. Es bleibt
zu bemerken, daß das Fragment 3 § 10 cit. so verstanden gar
nichts anderes sagt als die zweifellos interpolierte Stelle D. 3, 5,
46 (47). Wie clort der Unterschiecl von actio directa und actio
utilis für bedeutungslos erklärt wird, so geschieht es in jenen
Fragmenten. Justinian ließ nur seine Absicht, die in Fr. 46 (47)
grundsätzhch ausgesprochen ist, auch praktisch daclurch betätigen,
daß. er die zahlreichen actiones utiles negotiorum gestorum zum
Teil durch Streichung des utilis für directae erklärte und ent-
sprechend auch die Hauptstelle des Ulpiankommentars umarbeiten
ließ. Da Fr. 46 (47) im übrigen zeigt, daß der Kaiser es nicht gerade-
zu verbot, von clen actiones utiles negotiorum gestorum weiterhin
1 Cogliolo, Trattato 1, 46 n. 27 findet sich mit dem fr. 3 § 10 anders
ab: jeder gestor fremder Angelegenheiten werde hier den Regeln des Ediktes
de negotiis gestis unterstellt, wenn er nicht ein Mandatar oder tutor ist.
Davon bietet die Stelle ersichtlich nichts.
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Der Gegensatz, in welchem das fr. 3 § 10 zu diesen Nachrichten
der Byzantiner wie andererseits zu den einzelnen Beobachtungen
unserer Darstellung (S. 46—72, 95—98) steht, ist im Wege der In-
terpretation nicht zu beseitigen. Das hat Wlassak (Neg. gestio
S. 140—150) gezeigt, indem er die Vermutungen der Älteren, die
sehr vielfach von den actiones utiles sprachen, abwies. Da Wlassaks
eigene Auffassung von der Bedeutung des Ediktes de negotiis
gestis den erkennbaren Tatsachen, welche zur Rekonstruktion
dienen können, nicht Rechnung trägt, bleibt nichts übrig, als
in der Stelle D. 3, 8, 3, 10 einen byzantinischen Eingriff zu ver-
muten 1: ich meine, Ulpian sagte, daß die ediktale Formel nur
denjenigen betrifft, qui sponte et nulla necessitate cogente immis-
cuit se negotiis alienis, während gesagt war, daß utilibus iudiciis
für denjenigen gesorgt werde, qui aliqua necessitate urguente
vel necessitatis suspicione gessit. Das ist zweifellos ein Gewalt-
streich gegen den justinianischen Text, aber doch eine Hypothese,
die den Vorteil hat, die Nachrichten der Klassiker wie die eigen-
artige byzantinische Theorie zu vereinen: wer den Digestentext
retten und die byzantinische Lehre von den utiles actiones negotio-
rum gestorum als späte Kommentatorentheorie ansprechen will, muß
beweisen, wie solche angeblich ganz unklassische Lelire entstanden
sein soll, im scharfen Widerspruch zum Text der justinianischen
Gesetzestexte. Solange dieser Beweis nicht gefiihrt ist, muß die
byzantinische Juristenschule als ebensowohl unterrichtet gelten,
wie sie es zweifellos in zahlreichen anderen Fragen war. Es bleibt
zu bemerken, daß das Fragment 3 § 10 cit. so verstanden gar
nichts anderes sagt als die zweifellos interpolierte Stelle D. 3, 5,
46 (47). Wie clort der Unterschiecl von actio directa und actio
utilis für bedeutungslos erklärt wird, so geschieht es in jenen
Fragmenten. Justinian ließ nur seine Absicht, die in Fr. 46 (47)
grundsätzhch ausgesprochen ist, auch praktisch daclurch betätigen,
daß. er die zahlreichen actiones utiles negotiorum gestorum zum
Teil durch Streichung des utilis für directae erklärte und ent-
sprechend auch die Hauptstelle des Ulpiankommentars umarbeiten
ließ. Da Fr. 46 (47) im übrigen zeigt, daß der Kaiser es nicht gerade-
zu verbot, von clen actiones utiles negotiorum gestorum weiterhin
1 Cogliolo, Trattato 1, 46 n. 27 findet sich mit dem fr. 3 § 10 anders
ab: jeder gestor fremder Angelegenheiten werde hier den Regeln des Ediktes
de negotiis gestis unterstellt, wenn er nicht ein Mandatar oder tutor ist.
Davon bietet die Stelle ersichtlich nichts.