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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 14. Abhandlung): Die Nachrichten über den Tod Cyprians: ein philologischer Beitrag zur Geschichte der Märtyrerliteratur — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33057#0038
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38

Richard Reitzenstein:

S. 20, 11) wird ihm inducto eodem Cypriano Galerius Maximus vir
clarissimus proconsule Africae. Dieser Quelle entnimmt er also
den Schlußsatz, der nur hier erhalten ist quia hostili animo a gente
Romana desciveris cum his etiam, quos tui similes scelere docuisti,
ipso documento poenae perfruere — Worte die viel zu gesucht und
fein sind, als daß der Erzähler oder ein Mönch sie erfunden haben
könnte. Die Fassung der Handschriften EMT bietet jetzt nur die
verstümmelten Worte eos, quostuo scelere docuisti, ipso documento. . .,
die aus ihr stammende jüngere Martyrologienfassung eris ipse
documentum his, quos scelere tuo tecum aggregisti. Man sieht, die
Erzähler ändern den Wortlaut ihrer Vorlagen recht ungescheut.
Das gleiche tut freilich auch der Schreiber oder Redaktor von Y:
er zieht fälschlich die Worte cum his etiam e. q. s. zu den
folgenden documento poenae perfruere und versteht sie dahin,
daß zugleich mit Cyprian seine Schüler hingerichtet werden
sollen 1. So interpoliert er keck in dem Urteilsspruch Thascium
Cyprianum cum suis gladio animadverti placet und noch hand-
greiflicher in der Erzählung et ita Cyprianus passus est, et ceteri,
eiusque corpus e. q. s. Die Hinrichtung des Bischofs wird zum
Massenmord der Gläubigen. Eben darum aber, weil nach seiner
Erfindung alle schon zum Tode verurteilt sind, kann der Redaktor
den Wunsch der Gemeinde et nos cum eo decollemur nicht brauchen.
Er setzt dafür die doppelte Akklamation deo laudes ein. Es waltet
ein ähnliches Steigerungsbedürfnis wie in der sogenannten voll-
ständigen Fassung; der üblichen Martyrienschilderung gehört
an et cum speculator furens venisset, ja vielleicht auch der ver-
dorbene Ausdruck poenitentiae reus. Der dritte Teil, die Schil-
derung der Hinrichtung, wird, von diesen Änderungen abgesehen,
wahrsclieinlich wieder auf die alte Volkserzählung, also das in
EMT nur aus äußerem Grunde fort.gelassene Stück zurückgehen 2.

Der Hergang ist lehrreich genug, Er zeigt meines Erachtens
zwingend, daß es l’ür diese Art von Erzählungen überhaupt nur
in der Theorie und Vorstellung eine Urfassung gibt. In der
Wirklichkeit haben wir niemals Sicherheit, ob wir bis zu ihr durch-

1 Daß ihre Namen dann im Eingang des Urteilsspruches oder vorher
sclion des Protokolls genannt werden mußten, komrnt ihm nicht zum Bewußt-
sein (vgl. wieder das Protokoll des Dionysios bei Eusebios). In Wahrheit
schließt cum his etiam offenbar an cLesciveris\ Cyprian ist nicht allein zum
Feinde iibergegangen, sondern hat auch andere dazu verführt (vgl. auctor
et sig/iifer).

2 Eine ältere Fassung fehlt also nur noch für das Verhör des Jahres 257.
 
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