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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 14. Abhandlung): Die Nachrichten über den Tod Cyprians: ein philologischer Beitrag zur Geschichte der Märtyrerliteratur — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33057#0039
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Die Nachrichten über den Tod Cyprians.

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gedrungen sind, weil j eder Schreiber nach eigenem Ermessen umf ormt
und erweitert. Das liegt im Wesen dieser kunstlosen Erzählungs-
art begründet. Wer die ältere Mönchserzählung wirklich kennt,
wird diesen Satz in ihr bestätigt finden. Aber noch ein anderes
lehrt, richtig betrachtet, schon dies eine Martyrium, nämlich die
Technik dieser Literaturart. Wenn in dem Bericht über die Yer-
haftung der Titel des Prokonsuls beständig wiederholt wird oder
der Yertagungsbefehl in den Worten ausgedrückt wird eundemque
Cyprianum idem Galerius Maximus pro consule vir clarissimus
alia die, id est crastina, ojferri sibi praecepit, so schemt mir hand-
greiflich, daß der Aktenstil dabei auf die Erzählung übertragen
ist, die doch auf Akten gar nicht zurückgehen kann. Nicht ein-
mal die Fiktion, daß es einen amtlichen Bericht über die Verhaf-
tung oder die Hinrichtung gegeben habe, kann der erzählende
Ghrist beabsichtigen. Er bedient sich offenbar einer festen, tradi-
tionellen Form. Etwas ähnliches glaube ich in den heidnischen
Märtyrerakten nachweisen zu können und habe darauf schon
früher hingewiesen, bin aber, weil ich es zu kurz tat, mißver-
standen worden. Es handelt sich um die bekannten drei in Papyri
erhaltenen ‘alexandrinischen Martyrien’, die zuletzt U. Wilcken 1
eingehend besprochen hat. Es sind volkstümliche Berichte über
den Prozeß und die Hinrichtung alexandrinischer Gesandter in
Rom unter den Kaisern Claudius, Idadrian und Gommodus; sie
bieten die Verhöre in der Form des Prozeß-Protokolls, aber er-
gänzt durch erzählende oder schildernde Zusätze, so daß sie wirk-
liche Urkunden gar nicht darstellen können. Die Ereignisse,
von denen sie berichten, scheinen durchaus historisch und haben
in ihren sachlichen Einzelheiten nur für die eigene Zeit Interesse
gehabt. Dennoch werden diese Berichte zum Teil noch andert-
halb Jahrhunderte später in Privatabschriften verbreitet, und
diese Abschriften weichen in Wortlaut und Umfang weit von-
einander ab, d. h. sie haben eine andere Art der Überlieferung
als das eigentliche Literaturwerk und die Urkunde und tragen
den Charakter der Kleinliteratur 2. Das Interesse, das sie für die
spätere Zeit haben, liegt offenbar in dem Freimut des bildungs-

1 Zur Geschichte des alexandrinischen Antisemitismus, Abhandl. d.
philol.-hist. Klasse der Sächsischen Gesellschaft d. Wissenschaften XXVII
S. 800 ff. (dort auch die frühere Literatur).

2 Vgl. hierüber meine Ausführungen in Nachrichten d. Gött. Gesellsch.
d. Wissensch. 1904 S. 326 ff.
 
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