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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 14. Abhandlung): Die Nachrichten über den Tod Cyprians: ein philologischer Beitrag zur Geschichte der Märtyrerliteratur — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33057#0047
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Die Nachiichten über den Tod Cyprians.

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Perpetuae et Felicitatis hat eine Bucheinleitung, in der mit klarem
Wort gesagt ist, daß ein Vorbild noch nicht existiert, daß dies
neue Werk sich den heiligen Schriften der Gemeinde anreihen
soll, endlich, daß es zwar für die Nachwelt, aber doch auch nur für
diejenigen bestimmt ist, welche sich die Wirkungen des
Geistes nicht auf die Urzeit der Gemeinde beschränkt denken;
er wirkt noch jetzt und zwar in reicherem und höherem Grade.
Der Verfasser schließt den wirklich oder angeblich aus Quellen
entnommenen Teil und leitet seine eigenen Zutaten ein mit den
Worten (cap. 16): quoniam ergo permisit et permittendo voluit spiri-
tus sanctus ordinem ipsius muneris conscribi x, etsi indigni ad
supplementum tantae gloriae describendae, tamen quasi mandatum
sanctissimae Perpetuae, immo fideicommissum eius exsequimur.
Wie hier, so tritt der Schriftsteller noch einmal im Schluß in der
rhetorischen Anrede an seine Helden und der Idervorhebung des
kirchlichen Zweckes seiner Tätigkeit vor den Leser. Man müßte
jedes Sinnes für literarische Formen ermangeln, um dies Werk
ohne weiteres den Erzeugnissen der Flugblattliteratur gleichzu-
setzen. Der Schriftsteller — und es ist einer von den großen -—-
nennt sich nicht; er will hinter dem Stoff verschwinden und fühlt
sich nur als Werkzeug des Geistes. Das Buch wirkt ungeheuer,
aber die Form wird ein halbes Jahrhundert lang nicht nachge-
ahmt; zu eng hängt sie mit der Tendenz zusammen 1 2. Die erste
Nachahmung findet sich in jenem anonym überlieferten Leben
Cyprians, das Harnack als erste christliche Biographie über-
schwänglich gepriesen hat. Die Rivalität mit der passio Perpetuae

1 Cyprians Versicherung ep. 73,26 permittente domino et inspirante
conscripsimus ist ähnlich und doch dem Zusammenhang nach schwächer.

2 Für die Tendenz ist bezeichnend cap. 13: die Katechumenen und Laien-
christen treten in den innersten Himmel ein; der Bischof und Presbyter harren
traurig vor der Tür, ja machen sie zu Schiedsrichtern und müssen sich von
ihnen ausschelten lassen. Das offenbart der Geist! -— Auf die ganze hier be-
handelte Frage hoffe ich demnächst in weiterem Rahmen zurückzukommen
und die Formen der hellenistischen und christlichen Kleinliteratur näher
darzulegen. Für jetzt weise ich nur auf einen grundlegenden Unterschied
hin: die Volksliteratur oder das Flugblatt wird beständig überarbeitet, das
literarische Werk im engeren Sinne nur in Ausnahmefällen. Es erfährt eher
Gegenschriften als Umgestaltungen und Erweiterungen. Die vier ‘Bücher’,
die ich hier zu behandeln habe, zeigen das besonders gut. Kleine Interpola-
tionen sind auch in dem Werk des angeblichen Pontius nachweisbar, größere
Einschübe oder Umbildungen sicher nicht. Dem kunstvoll stilisierten Werk
steht der Schreiber anders als dem Volksbuch gegenüber.
 
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