Die Nachrichten über den Tod Gyprians.
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Dissertation (Harnack p. IV) — er erklärt nicht, wie das Martyrium
die volle Hälfte des Raumes einnehmen kann—, noch bietet Har-
nacks Hinweis darauf, daß auch im Marcus-Evangelium die
passio die Hälfte des Raumes einnehme, die genügende Recht-
fertigung; denn selbst der Verfasser des Werkes über Gyprian
wird dies Evangelium nicht als Biographie Jesu betrachtet haben.
Sein eigenes Werk wirkt auch gar nicht als Biographie im engeren
Sinne weiter, sondern beeinflußt in nachdrücklichster Weise
gerade die Martyrienliteratur. Zusammen mit den Perpetua-
Akten bildet es die Vorlage für das Buch über Montanus und
Flavianus, das noch priesterliche Märtyrer verherrlicht, und
zwar mit Benutzung echten Materials, das der Verfasser nur sehr
frei ergänzt und umgestaltet. Dies Buch wieder bildet die un-
mittelbare Vorlage für das Martyrium des Marianus und Jacobus,
eine relativ junge und fast ganz phantastische Erzählung. All
diese vier Werke stimmen in der Anlage eng überein und zeigen
einen festen literarischen Typus; es sind Bücher mit schriftstelleri-
schem Vorwort und Nachwort, nur für die Gemeinde berechnet
und beherrscht von bestimmten kirchenpolitischen Tendenzen * 1,
Bücher, die alle noch dem dritten Jahrhundert angehören, im wesent-
lichen intakt auf uns gekommen sind und eben darum einen
entscheidenden Einblick in das Werden der Märtyrerliteratur ge-
währen. Die Verfasser sprechen ausnahmslos alle, als ob ihre
Leser sie kennten; sie stehen ferner alle angeblich zu ihren IJelden
in engster persönlicher Beziehung und setzen voraus, daß der
Leser dies weiß; aber keiner nennt seinen Namen. Es ist ähnhch
in der älteren Mönchsliteratur; die Historia monachorum wie die
Historia Lausiaca sind anonym erschienen. Man suchte später
nach den Namen der Verfasser und riet hin und her, bisweilen
mit Glück, in anderen Fällen höchst töricht. Von den vier Büchern,
die der Märtyrerliteratur angehören, hat begreiflicherweise nur
Altertum 1912 S. 406 ff.), gescheitert. Diese Stoffe sind für Dissertationen
wohl zu schwer; ihre Yerfasser können kaum überblicken, wieviel verschiedene
Typen in Frage kommen können — hat doch nicht einmal Leo sie. ganz er-
schöpft — und stellen das Verschiedenartigste gern nach dem Titel zusammen
(das einfache Mönchs- St,-/iy7)[rtx der vita Pauli oder vita Malchi ist für Kemper
Biographie). Das bringt uns nicht vorwärts.
1 Die Schätzung der Laien-Märtyrer wird in der letzten Schrift wieder
größer; die Einwirkung der schriftstellerischen Mahnungen zum Martyrium
auf die Wahrheit der Berichte zeigt sich handgreiflich; eine Fülle von Be-
obachtungen bietet sich von selbst, die ich hier nicht erschöpfen kann
4*
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Dissertation (Harnack p. IV) — er erklärt nicht, wie das Martyrium
die volle Hälfte des Raumes einnehmen kann—, noch bietet Har-
nacks Hinweis darauf, daß auch im Marcus-Evangelium die
passio die Hälfte des Raumes einnehme, die genügende Recht-
fertigung; denn selbst der Verfasser des Werkes über Gyprian
wird dies Evangelium nicht als Biographie Jesu betrachtet haben.
Sein eigenes Werk wirkt auch gar nicht als Biographie im engeren
Sinne weiter, sondern beeinflußt in nachdrücklichster Weise
gerade die Martyrienliteratur. Zusammen mit den Perpetua-
Akten bildet es die Vorlage für das Buch über Montanus und
Flavianus, das noch priesterliche Märtyrer verherrlicht, und
zwar mit Benutzung echten Materials, das der Verfasser nur sehr
frei ergänzt und umgestaltet. Dies Buch wieder bildet die un-
mittelbare Vorlage für das Martyrium des Marianus und Jacobus,
eine relativ junge und fast ganz phantastische Erzählung. All
diese vier Werke stimmen in der Anlage eng überein und zeigen
einen festen literarischen Typus; es sind Bücher mit schriftstelleri-
schem Vorwort und Nachwort, nur für die Gemeinde berechnet
und beherrscht von bestimmten kirchenpolitischen Tendenzen * 1,
Bücher, die alle noch dem dritten Jahrhundert angehören, im wesent-
lichen intakt auf uns gekommen sind und eben darum einen
entscheidenden Einblick in das Werden der Märtyrerliteratur ge-
währen. Die Verfasser sprechen ausnahmslos alle, als ob ihre
Leser sie kennten; sie stehen ferner alle angeblich zu ihren IJelden
in engster persönlicher Beziehung und setzen voraus, daß der
Leser dies weiß; aber keiner nennt seinen Namen. Es ist ähnhch
in der älteren Mönchsliteratur; die Historia monachorum wie die
Historia Lausiaca sind anonym erschienen. Man suchte später
nach den Namen der Verfasser und riet hin und her, bisweilen
mit Glück, in anderen Fällen höchst töricht. Von den vier Büchern,
die der Märtyrerliteratur angehören, hat begreiflicherweise nur
Altertum 1912 S. 406 ff.), gescheitert. Diese Stoffe sind für Dissertationen
wohl zu schwer; ihre Yerfasser können kaum überblicken, wieviel verschiedene
Typen in Frage kommen können — hat doch nicht einmal Leo sie. ganz er-
schöpft — und stellen das Verschiedenartigste gern nach dem Titel zusammen
(das einfache Mönchs- St,-/iy7)[rtx der vita Pauli oder vita Malchi ist für Kemper
Biographie). Das bringt uns nicht vorwärts.
1 Die Schätzung der Laien-Märtyrer wird in der letzten Schrift wieder
größer; die Einwirkung der schriftstellerischen Mahnungen zum Martyrium
auf die Wahrheit der Berichte zeigt sich handgreiflich; eine Fülle von Be-
obachtungen bietet sich von selbst, die ich hier nicht erschöpfen kann
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