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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 14. Abhandlung): Die Nachrichten über den Tod Cyprians: ein philologischer Beitrag zur Geschichte der Märtyrerliteratur — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33057#0052
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52

Richard Reitzenstein:

das auf Gyprian bezügliche in der Zeit, als aucli die Ghristen literar-
historische Interessen gewannen, zu Fragen nach dem Yerfasser
angeregt. Hieronymus nennt — wir wissen nicht, ob zuerst und
mit welcliem Anhalt — als Namen des Autors Pontius 1. Die Frage
liegt hier anders, als wenn ein durch Zufall in der einzigen Handschrift
mit dem Weik des Arnobius zusammengewachsenes Büchlein durch
ihn zu dem echten Namen des Verfassers, Minucius Felix, kommt.
So wenig schließlich auf solche Namen ankommt, so berechtigt
ist hier der Zweifel, und mit yoJlem Recht hat Rigaltius die For-
derung wenigstens angedeutet, zu untersuchen, wie viel von den
positiven Angaben des Buches aus Gyprians Schriften stammen
können und wie viel innere Wahrscheinlichkeit der Rest hat, der
nicht aus ihnen erschlossen werden konnte. Diese Untersuchung,
die Harnack offenbar für überflüssig hält, ist noch nicht ge-
macht, und doch entscheidet sie allein darüber, ob wir liier das
Werk eines Schülers und Augenzeugen vor uns haben oder die
frommen, aber durchaus unverbindlichen Konstruktionen eines
Mannes, der unter dem Zwange einer festen literarischen Tradition
stand, von den Dmgen seibst aber nicht viel mehr wußte als wir.
Daß Harnack die literarische Tradition, in welcher die Schrift
steht, völlig verkannt hat, macht den ganzenliterarhistorischenTeil
seines Buches für mich unbenutzbar; alle Vergleiche, wie etwa der des
Schlusses mit dem Schluß der Apostelgeschichte und seinen Wir-
Stücken, werden für mein Empfinden schief und unzutreffend.
Der Autor ist weder genial noch originell — das bezeugt er für den
Philologen in jeder Seite seines Textes —: er steht in dem festen
Zwang einer literarischen Tradition, aber diese Tradition ist nicht
die der vitae, sondern der exitus clarorum virorum 2.

1 Es scheint mir durchaus denkbar, daß es einen afrikanischen Märtyrer
dieses Namens gab. Wie der Narne des Pontius vereinzelt in die jüngste Tradition
eingedrungen ist, zeigt gut Vindobon. 770 fol. 7: Hieronymus in libro illustrium
virorum capitulo LXVIII: Pontius diaconus cipriani usque ad diem passionis
eius cum ipso exilium sustinens: egregium volumen vite et passionis cipriani
reliquit (neue Zeile). Incipit liber pontii diaconi africani de conversione vita et obitu
illustrissuni et sanctissimi viri cipriani martiris et carthaginensis episcopi ac
totius africane provincie primatus (? gütige Mitteilung Prof. Radermachers).

2 Daß sie iiberhaupt das Vorbild für die Martyrienliteratur gibt, habe
ich schon in den Nachrichten d. Gött. Ges. 1904, S. 326 ff. gegen Harnack
betont und in den Hellenistischen Wundererzählungen S. 37 A.3 etwas er-
gänzt. Daß diese eAiws-Schilderungen bei namhaften Männern fast den
Charakter einer laudatio funebris annehmen können, sagt Plinius ep. VIII 12.
 
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