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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 14. Abhandlung): Die Nachrichten über den Tod Cyprians: ein philologischer Beitrag zur Geschichte der Märtyrerliteratur — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33057#0053
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53

Die Nachrichten über den Tod Gyprians.

Ich hahe dies zu beweisen und zugleich die einzige Abweichung
des Cyprian-Buches von den drei andern zu erklären. Ihren
Grund hat der Verfasser eigentlich selbst angegeben. Bei namen-
losen und unbedeutenden Männern ist nur der Märtyrertod er-
wähnenswert und lehrreich; bei großen Männern muß ihre Be-
deutung im Leben kurz angegeben werden. Wie das in der rhe-
torischen Literatur geschieht, zeigt Pseudo-Lukians ey)ca>[xi.ov
AYjgoobsvout;, das auch sonst lehrreiche Vergleichspunkte bietet.
Der Verfasser kennt nur die Schriften und einen kurzen ßio<;
seines Helden. Um den Anschein zu erwecken, daß er Neues
bringen kann, und vor allem, daß er untrügliche Überlieferung
bietet, fingiert er, ein uraltes Aktenstück gefunden zu haben,
die UTt:o[xv7][xaTa tyj<; ßaoiXtx^ olx'uxc, aus dem makedonischen
Archiv; sie geben ein nachstenographiertes Gespräch des Antipater
mit dem Häscher Archias, dem einzigen Zeugen der letzten Lebens-
momente des Demosthenes. Antipater schildert seine Bedeutung
im Leben, Archias den Hergang seines Todes 1. Das sind genau
die zwei Teile der vita et passio Cypriani, die zwei Teile, die in
jedem Schriftstück derart unbedingt nötig waren. Der Unter-
schied vom ßto<; ist dabei handgreiflich; der erste Teil gibt nicht
einen Abriß des Lebens und der Taten, sondern schildert, wie der
Mann war und was er für Athen bedeutete. Quelle ist, wie ich
sagte, nur ein ß!o<; und Erinnerungen aus den Schriften; an-
schauliche Einzelheiten werden der literarischen Fiktion zuliebe
frei zugefügt. Das Ganze bietet eine von echter Begeisterung
getragene, im wesentlichen gute Würdigung des Demosthenes,
die vielleicht sogar gerechter ist als mancher neuere Versuch.
Aber wir benutzen die Schrift trotzdem nicht als historische Quelle
oder behaupten, daß ihr Autor deshalb dem Demosthenes per-
sönlich nahegestanden haben muß 2.

Warum der Verfasser, wiewohl er mit der passio Perpetuae
wetteifern will, ja gerade, weil er es will, vorher beweisen muß

Reden sind es trotzdem nicht; die oft aufgeworfene Frage, ob die vita et passio
Cypriani eine Rede sei, war gewiß sehr unphilologisch, aber sie hätte auf
den literarischen Charakter aufmerksam machen können.

1 Er hat für die letzten Worte Schnellschreiber aufgestellt (44); Voll-

ständigkeit ist erwünscht: oij ydcp toi a[i.ixpov epyov avSpö? yevvafou

7ipS<; aü'ö tü xeXei toü ßfou xaTafjLaüeiv (43).

2 Der Unterschied zu dem Cyprian-Buch liegt darin, daß hier eine Er-
zählung nicht fingiert zu werden brauchte, sondern vorlag. Daß sie in den
Hauptpunkten zuverlässig ist, bestreitet niemand.
 
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