Die Nachrichten iiber den Tod Gyprians.
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Prokonsul krank war, und daß Gyprian mit seiner Bitte etwas
anderes gemeint haben müsse, als die Wirklichkeit ihm dann
gewährte. In der Tat konnten die Gegner gar nicht anders handeln.
War der Traum Gyprians wirklich eine Offenbarung, so hatte
Gott selbst ihn damit als seinen Liebling anerkannt, hatte sein
spätes Martyrium als ihm wohlgefällig und nach seinem Willen
erfolgt bezeugt, und jeder Widerstand gegen den begnadeten
Märtyrer war unmöghch. Die Kritik an dem bedeutungsvollen
Traumgesicht mußte einsetzen, und es ist wohl möglich, daß sie
sogar schriftlich geübt wurde (volunt quidam). Versuchen wir
selbst sie einmal zu üben, um zu sehen, ob der Verfasser der vita
et passio sich etwa gegen dieselben Erwägungen wendet, die auch
wir anstellen müssen.
Daß Gyprian in der letzten, bangen Zeit einen Traum haben
konnte. der ihm den Tod weissagte, sehe ich zu bezweifeln gar
keinen Grund; gerade seine Bitte um einen Tag Aufschub ist zu
natürlich uncl zu menschlich begreiflich, außerdem aber zu sehr
der Mißcleutung ausgesetzt, um ganz erfunden zu sein. Sie paßt
ferner in die Zeit und Situation, in der er sich sogar vom neuen
versteckte. Er mochte selbst von diesem Traum erzählt liaben;
die alte Volkserzählung weist darauf hin. An der Geschichtlich-
keit des Traumes, also der Wahrhaftigkeit der Angabe Cyprians,
zweifeln auch die Gegner nicht, wohl aber an dem Wunder.
Auch wir würden, um an ein solches zu glauben, zunächst ver-
langen, daß der Traum zu einer Zeit geschah, wo Cyprian den
Todesbefehl noch nicht mit Sicherheit erwarten konnte, und daß
er Einzelheiten en +hielt, deren spätere Erfüllung sich nicht leicht
durch zufälliges Zusammentreffen erklären läßt. Gerade hier
setzt aber der Verfasser der vita et passio ein. Er verlegt die Vision
in eine Zeit, wo Cyprian an die Hinrichtung noch gar nicht
denken konnte, und gibt dem crastinus dies eine ganz neue Be-
deutung, die damals Cyprian selbst nicht verstanden hat und
niemand verstanden haben soll; er malt den Traum außerdem
so aus, daß die Ereignisse später in jeder Einzelheit entsprechen.
Und nun beginnt er mit der Frage, ob es denn eine handgreif-
lichere Offenbarung und eine größere Begnadigung geben könne,
eine lange Darlegung, die uns seltsam berührt, die aber für ihn
von höchster Wichtigkeit ist. Jeder Einwand, den man gegen
die Vision erheben könnte, jede Bemängelung, daß sie nicht
vollständig genug sei, der Bote Gottes ja nicht geredet, Cyprian
Sitzungsberichte der Heidelb. Akademie, phil.-hist. KJ- 1913. 14. Abh.
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Prokonsul krank war, und daß Gyprian mit seiner Bitte etwas
anderes gemeint haben müsse, als die Wirklichkeit ihm dann
gewährte. In der Tat konnten die Gegner gar nicht anders handeln.
War der Traum Gyprians wirklich eine Offenbarung, so hatte
Gott selbst ihn damit als seinen Liebling anerkannt, hatte sein
spätes Martyrium als ihm wohlgefällig und nach seinem Willen
erfolgt bezeugt, und jeder Widerstand gegen den begnadeten
Märtyrer war unmöghch. Die Kritik an dem bedeutungsvollen
Traumgesicht mußte einsetzen, und es ist wohl möglich, daß sie
sogar schriftlich geübt wurde (volunt quidam). Versuchen wir
selbst sie einmal zu üben, um zu sehen, ob der Verfasser der vita
et passio sich etwa gegen dieselben Erwägungen wendet, die auch
wir anstellen müssen.
Daß Gyprian in der letzten, bangen Zeit einen Traum haben
konnte. der ihm den Tod weissagte, sehe ich zu bezweifeln gar
keinen Grund; gerade seine Bitte um einen Tag Aufschub ist zu
natürlich uncl zu menschlich begreiflich, außerdem aber zu sehr
der Mißcleutung ausgesetzt, um ganz erfunden zu sein. Sie paßt
ferner in die Zeit und Situation, in der er sich sogar vom neuen
versteckte. Er mochte selbst von diesem Traum erzählt liaben;
die alte Volkserzählung weist darauf hin. An der Geschichtlich-
keit des Traumes, also der Wahrhaftigkeit der Angabe Cyprians,
zweifeln auch die Gegner nicht, wohl aber an dem Wunder.
Auch wir würden, um an ein solches zu glauben, zunächst ver-
langen, daß der Traum zu einer Zeit geschah, wo Cyprian den
Todesbefehl noch nicht mit Sicherheit erwarten konnte, und daß
er Einzelheiten en +hielt, deren spätere Erfüllung sich nicht leicht
durch zufälliges Zusammentreffen erklären läßt. Gerade hier
setzt aber der Verfasser der vita et passio ein. Er verlegt die Vision
in eine Zeit, wo Cyprian an die Hinrichtung noch gar nicht
denken konnte, und gibt dem crastinus dies eine ganz neue Be-
deutung, die damals Cyprian selbst nicht verstanden hat und
niemand verstanden haben soll; er malt den Traum außerdem
so aus, daß die Ereignisse später in jeder Einzelheit entsprechen.
Und nun beginnt er mit der Frage, ob es denn eine handgreif-
lichere Offenbarung und eine größere Begnadigung geben könne,
eine lange Darlegung, die uns seltsam berührt, die aber für ihn
von höchster Wichtigkeit ist. Jeder Einwand, den man gegen
die Vision erheben könnte, jede Bemängelung, daß sie nicht
vollständig genug sei, der Bote Gottes ja nicht geredet, Cyprian
Sitzungsberichte der Heidelb. Akademie, phil.-hist. KJ- 1913. 14. Abh.