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H. Thiersch:
Felsgebirge, und vor ailem den Oreaden, die ganz ebenso in Höhlen
und Grotten wohnend gedacht werden. So sagt Lechat (BGH. 1889,
470) ganz richtig, dab die Moiren wesensgieich sind mit cler überall
verbreiteten, nur immer sehr verschieden benannten Trias weiblich
geclachter, alles Leben in segensreicher Ordnung schirmender,
führender Wesen. 2 Darum gab es auch den Kult der Moiren
und der Nymphen da und dort unmittelbar miteinander vereinigt,
wie auf Ivorkyra (Apoll. Rhod. 4, 1218). Und darum stellte man
in dekorativen Gruppen ihrer Triade ocler Dyade 3 gerne die der
drei Horen, dieser vorwiegend zeitbch aufgefaßten Nymphen, als
Pendant gegenüber. So am Hyakinthosaltar in Amyklä und am
Thron des Zeus von Megara. Von Nymphen und Horen haben die
Moiren dann etwas entlehnt, wovon bald noclr die R.ede sein wird:
clie göttliche Schönheit. Noch bei Saxo Grammaticus (Grimm,
S. 344ff.) werden die parcae als nymphae erklärt. Die drei bay-
rischen „Schwestern“ werclen auch an heilkräftigen Brunnen wohnend
gedacht, „bis in die Brixener Gegend“; sie sind dann Wasserjung-
frauen und „Meerfräulein“. Darum kommt ihnen auch elfische Schön-
heit zu, — „schön wie Engel“. Vgl. E. LI. Meyer, S. 253 und 255.
Damit kommen clie Moiren der altathenischen Nymphentrias,
die als Aglauriden in der Pansgrotte am Nordabhang der Akropolis
verelrrt wurde, tatsächhch überaus nahe. Aber nicht nur cliese,
auch andere Stellen des athenischen „Geisterfelsens“ waren seit
uralter Zeit den Nymphen heilig. Ja, eben jene Nymphengrotte
am Nordabhang war es, welche mit ihrer geheinmisvollen Trias
sogar eine ganz neue Art von Votivreliefs schuf, in der das land-
schaftlich wirkungsvolle Motiv der felsigen Grotte die stehende
Typik des hintergruncllosen Weihereliefs siegreich durchbrach (vgl.
Blinckenberg, Archäol. Beiträge, S. 57). Es mag auch sehr wohl
sein, dah die Aglauriden im letzten Grunde als eine spezifisch alt-
attische Moirenvariante aufzufassen sind. Aber in unserem Giebel
stöfst die Auffassung der drei Gestalten K, L, M speziell als Aglau-
riden, wie mit Recht sclion von anderen hervorgehoben wurde, auf
unüberwinclliche Schwierigkeiten. Nur die weitgefahte, allgemeinere
Deutung als Moiren überhaupt wird, wie noch zu zeigen ist, allen
Anforderungen gerecht.
2 Vgl. PETERSEN, Archäolog. epigr. Mitt. aus Österr. V, 42i‘f.; WER-
NICKE, in Roschers Myth. Lexik. III, 1425.
3 Die Zweizahl als Vorstufe der Dreizahl im Sinne primitiver Vielheit:
vgl. USENER, „Dreiheit“, im Rhein. Mus. 1903, bes. S. 323ff.
H. Thiersch:
Felsgebirge, und vor ailem den Oreaden, die ganz ebenso in Höhlen
und Grotten wohnend gedacht werden. So sagt Lechat (BGH. 1889,
470) ganz richtig, dab die Moiren wesensgieich sind mit cler überall
verbreiteten, nur immer sehr verschieden benannten Trias weiblich
geclachter, alles Leben in segensreicher Ordnung schirmender,
führender Wesen. 2 Darum gab es auch den Kult der Moiren
und der Nymphen da und dort unmittelbar miteinander vereinigt,
wie auf Ivorkyra (Apoll. Rhod. 4, 1218). Und darum stellte man
in dekorativen Gruppen ihrer Triade ocler Dyade 3 gerne die der
drei Horen, dieser vorwiegend zeitbch aufgefaßten Nymphen, als
Pendant gegenüber. So am Hyakinthosaltar in Amyklä und am
Thron des Zeus von Megara. Von Nymphen und Horen haben die
Moiren dann etwas entlehnt, wovon bald noclr die R.ede sein wird:
clie göttliche Schönheit. Noch bei Saxo Grammaticus (Grimm,
S. 344ff.) werden die parcae als nymphae erklärt. Die drei bay-
rischen „Schwestern“ werclen auch an heilkräftigen Brunnen wohnend
gedacht, „bis in die Brixener Gegend“; sie sind dann Wasserjung-
frauen und „Meerfräulein“. Darum kommt ihnen auch elfische Schön-
heit zu, — „schön wie Engel“. Vgl. E. LI. Meyer, S. 253 und 255.
Damit kommen clie Moiren der altathenischen Nymphentrias,
die als Aglauriden in der Pansgrotte am Nordabhang der Akropolis
verelrrt wurde, tatsächhch überaus nahe. Aber nicht nur cliese,
auch andere Stellen des athenischen „Geisterfelsens“ waren seit
uralter Zeit den Nymphen heilig. Ja, eben jene Nymphengrotte
am Nordabhang war es, welche mit ihrer geheinmisvollen Trias
sogar eine ganz neue Art von Votivreliefs schuf, in der das land-
schaftlich wirkungsvolle Motiv der felsigen Grotte die stehende
Typik des hintergruncllosen Weihereliefs siegreich durchbrach (vgl.
Blinckenberg, Archäol. Beiträge, S. 57). Es mag auch sehr wohl
sein, dah die Aglauriden im letzten Grunde als eine spezifisch alt-
attische Moirenvariante aufzufassen sind. Aber in unserem Giebel
stöfst die Auffassung der drei Gestalten K, L, M speziell als Aglau-
riden, wie mit Recht sclion von anderen hervorgehoben wurde, auf
unüberwinclliche Schwierigkeiten. Nur die weitgefahte, allgemeinere
Deutung als Moiren überhaupt wird, wie noch zu zeigen ist, allen
Anforderungen gerecht.
2 Vgl. PETERSEN, Archäolog. epigr. Mitt. aus Österr. V, 42i‘f.; WER-
NICKE, in Roschers Myth. Lexik. III, 1425.
3 Die Zweizahl als Vorstufe der Dreizahl im Sinne primitiver Vielheit:
vgl. USENER, „Dreiheit“, im Rhein. Mus. 1903, bes. S. 323ff.