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Thiersch, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 4. Abhandlung): Ein parthenonisches Giebelproblem — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33047#0017
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Zur Deutung der erhaltenen Figuren vom Parthenon-ostgiebel.

17

Pausanias’ Zeiten (VIII, 32, 2) drei zusammengehörige Aphrodite-
statuen: Urania, Pandemos, von der dritten war kein Name vor-
handen; vielleicht weniger, weil er im Lauf der Zeit verloren ge-
gangen war, als aus heiliger Scheu. Denn diese dritte scheint
nben dieselbe zu sein, für die in Theben cler düstere Name 'Atto-
<rxpoq)i<; noch erhalten war, eine Bezeichnung, clie wieder an die
Erinnyen erinnert, diese aTiocJTpoqpoi (Hymn. orpli. 70, 8), vor denen
man sich abwendet, und die sich zürnend selbst abwenclen von der
Sonnenseite cles Lebens. 11 (Vgl. Hitzig-Blümner, Pausanias, Bd. III,
S. 435.) In Theben waren es ebenfalls drei uralte Schnitzbilder,
die ais „Aphroditen“ unmittelbar nebeneinander standen: neben
•der furchtbaren Apostrophos wieder die freundlichen Schwestern
Urania und Pandemos. Diese Bezeichnungen sollen dort so alt
gewesen sein, wie das Holz, aus dem sie gesclmitzt waren und das
noch von Kadmos’ Schiffen genonnnen gewesen sein soll (Pausan.
IX, 16, 2). Die revveruWiöeq oder revvdibeq neben der Aphro-
•dite revvexuWiq (Cornut. 34) sind im Grunde wieder derselbe Drei-
verein.

Gerade das Aphroclisische in der parthenonischen Moire M
besteht also ebenfalls zu Recht, es ist nicht Zufall oder Willkür
hier, sondern bewußte Absicht. Die einst vorhandene reichere Aus-
stattung der Gestalt mit Schmuck wurde in diesem Sinne immer
schon erwogen: am Hals, an clen Armen, am Gürtel. Wieder war
■es Petersen, S. 131, cler das Bezaubernde an cliesem Körper „voll
blühenden Lebens, so frisch und warm, im Sichtbarwerden des
Gürtels, im teilweisen Bloßwerden der Brust“ am feinsten charak-
terisiert hat, uncl der unter der Macht dieses Eindrucks die Gestalt
Aphrodite schlechthin benannte (mit L als Peitho). Und ebenso
intuitiv hat Julius Lange (Darstellung der Menschengestalt I, 194)
■das Wesen dieser herrlichen Ma.jestät erfaßt: „ein lebender Venus-
berg mit wogenden und schwellenden Höhen und Tälern, welche die
Sinne mit eirier gewissen verschwenclerischen Fülle berauschen“.
Die besten Beobacliter haben auch liier am richtigsten gesehen. Die
Moire M ist in der Tat clie Verkörperung der Tpuqpf) irn edelsten
Sinne, im Sinne höchster, mühelos gespencleter und ewig ihrer
selbst sich erfreuender Schönheit, jenes ewigen Jungbrunnens, cler
noch ständig überfließt auf alle Geschlechter.

11 Anders USENER, Dreiheit, 205, cler die Trias aus dem Dual Urania-
Pandemcs entstehen läßt.

Sitzungsberichte der Heidelb. Akademie, philos.-liisl. I\l. 1918. 4. xVbh. 2
 
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