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Thiersch, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 4. Abhandlung): Ein parthenonisches Giebelproblem — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33047#0018
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18

H. Thiersch:

Auch von diesem Zug, für den die nüchterne italische Parallele
nichts ergibt 12, hat sich im griechischen Volk bis auf heute noch
etwas bewahrt. Dazu gibt es Analogien auch aus indoger-
manisch-europäischen Sagen. Lechat (BGH. 1889, 471, note 4) sagt.
darum mit Recht: „les Charites et les Parc]ues fmiraient se con-
fondre“. „Mächtige Mädchen“ werden sie ihrer äußeren Erscheinung
nach in der Edda genannt. So wird auch clen drei weißen
Frauen in der altfranzösischen Dichtung stets bezaubernde Schönheit
zugeschrieben (Grimm, a. a. 0., 340 Anm. 3), und in dem schon einmal
genannten Spiel des Adam de la Halle sincl es ebenfalls „beles
dames parees“ (ebenda, 342 Anm. 1). Die neugriechischen Märchen
schildern zwar nicht mehr die Moiren selbst als von ausnehmender
überirdischer Schönheit, aber diese sind bereit, solche zu verleihen
(KaDu'i dazu Lachen wie Rosen, Tränen wie Edelsteine-

usw. (vgi. Politis, a. a. 0., p. 214), pe ö\aq räq xaP lTa<G Der ent-
scheidende Zug hat sich erhalten.

Also Atropos und Aphrodite, cliese beiden anscheinend sich
gegenseitig ganz ausschließenden Charaktere, in einer Gestalt ver-
einigt, in eine Moire zusammengeschmolzen. Das konnte überzeugencl,
in plastischen Formen nur einem ganz Großen gelingen, wie es-
wieder auch nur ein ganz Großer war, der dasselbe, wenn auch
im Spiel und im Scherz der Walpurgisnacht, ähnlich wagte. Da
haben die älteste und die jüngste der Moiren ihre Rollen vertauscht
und Atropos spricht:

„Wolltet ihr bei Lust und Tänzen
Allzu üppig euch beweisen,

Denkt an clieses Fadens Grenzen,

Hütet euch! Er möchte reihen!“

(Goethe, Faust II, 5313 ff.)

Was die Ergänzung der Arme und des Attributes dieser
Aphrodite betrifft, so ist es ganz richtig, was Bruno Sauer (a. a. 0.,
116 ff.) hervorhebt. Das leicht konisch den Faltenbausch über dem
linken Oberschenkel durchtunnelende Loch, in dem zweifehos ein

12 Äußer in Darstellungen, die von griechischer Kunst ahhängig sind, wie
auf deni Sarkophagdeckel, MüLLER-WlESELER II, n. 858, wo die mittlere der
Moiren, die aridren auch an Größe überragend, ganz wie Tyche und Abun-
dantia mit Füllhorn und Wage ausgestattet ist; oder die mit ihrem Diadem,
ihrer weiblichen Körperfiille und lässig bequemen Iialtung zweifellos als eine
spinnende Aphrodite gedachte nackte Statuette von Bronze aus Ostia, Mon, IX, 8.
Ygl BERNOULLI, Aphrodite, 349ff.
 
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