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Thiersch, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 4. Abhandlung): Ein parthenonisches Giebelproblem — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33047#0028
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-28

H. Thiersch:

Das Motiv ist also durch die bildliche Tradition für die Athena-
geburt sogar gesic-hert, und Svoronos, a. a. 0. 265 ff., hatte voll-
ständig recht, wenn er wunderkräftige qpapiuaKa ähnlicher Art in
diesen niederen Kisten geborgen vermutete und dann bildliche Ana-
logien (als Behälter [cpcupia] für qpi'Xrpa etc.) beibrachte. Nur ist
seine Beziehung der beiden auf diesen Kisten sitzenden Gestalten
auf Kirke und Medea ebenso verfehlt wie die des gelagerten Jünglings
daneben auf Aetes. Doch hatSvoronos den schwesterlichen Gharakter
der beiden Frauen richtig festgehalten.

Diese Gharakterisierung der Eileithyien durch die Tücher und
Truhen mit qpappaKa darin ist zwar naheliegend, doch ungewöhnlich,
ja einzigartig 22; sie geht hinaus üher das, was sonst als Andeutung
ihrer Funktionen gegeben wird. Aber sie ist hier wohl über-
legt. Gerade weil der parthenonische Künstler die alte naive Typik
nicht gebrauchen konnte, weder in ihrem Postieren der Gestalten
unmittelbar ura Zeus herum, noch in denr ebenso aufdringlichen
wie nutzlosen Bestreichen von Zeus Haupt und Leib durch ihre
Hände — eben darurn, weil der Künstler das alte Thema von Grund
aus hier neu zu gestalten hatte, muhte er auch in diesen Nebendingen
vom Bisherigen abweichen. Von Zeus rveit abgerückt und durch ver-
schiedene Gestalten getrennt, auch in ihren mäeutischen Gebärden
nicht mehr möglich an dieser entfernten Stelle, haben die Geburts-
helferinnen als Ersatz gleichsam für all diese Einbuhen die cha-
rakteristischen Truhen bekommen. Wie resigniert über ihre Ohn-
macht haben sie sich auf diese Kisten zurückgezogen: ihre cpappaKa
haben nicht helfen können, ihre Tücher sind unnütz. Ähnlich ist
Ares zu sehen auf seinem Sitze in der bekannten Szene der Fran-
yoisvase. Da, während sie noch des über ihr Vermögen gehenden
Ausgangs warten, werden sie plötzlich von dem Faktum überrascht:
Hephästos hat den Schlag vollzogen und die Geburt ist geschehen.

Schon B. v. Schneider (Geburt der Athena, S. 7 ff.) hat richtig
gesagt, dah clie Komposition des Parthenongiebels den Schlußstein
bildet für die bildliche Tradition dieser Sage überhaupt. Von dem
Madrider Puteal abgesehen, das klassizistisch ganz von älteren Vor-
biidem abhängig ist (vgl. zuletzt Arndt, Einzel-Verk. P724ff.), sind ja
alle anderen Darstellungen der Athenageburt älter als der Giebel. Ich
glaube, man kann noch mehr sagen: hier am Parthenon war über-

22 Etwas Ahnliches nur auf dem etruskisch reaiistischen Spiegel GER-
HARD V, 6, wo eine der beiden dämonisch geflügelten Eileithyien dem Zeus
den Kopf mit schmaler Binde umwickelt.
 
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