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Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 5. Abhandlung): Lykische Zwölfgötterreliefs: Untersuchungen zur Geschichte des dreizehnten Gottes — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33048#0019
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Lykische Zwölfgötter-Reliefs.

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griechische Vorbild bedingte Abrundung einer Vielheit annehmen
könnte. „Sie begegnet uns in den Zwölfgöttersystemen der Griechen
und Römer, in den zwölf Stämmen Israels, den zwölf Söhnen
Jakobs, den zwölf Jüngern Jesu. So ist die Zwölf überhaupt zu der
herkömmlichen Zahl geworden, zu der man eine Personengruppe,
auch wo cliese nicht rein legendaren Ursprungs ist, mit Vorliebe ab-
rundet.“ (Wundt, Völkerpsychologie II, Bd.III, 1909, S. 546; vgl.UsENER,
Rliein. Mus. XXXIV, 1879, 433f.; LVIII, 1903, 350f.) Die un-
bestimmte Mehrheit cler lykischen ayptoi heoi wircl zu einer Zwölf-
heit 27 zusammengefaßt, ganz ähnlich wie bei den Römern die an
sich ebenfalls unbegrenzte Mehrheit cler agricolares dei' zu einer
Gruppe von Zwölfen zusammengefaßt wird. Diese Analogie, auf
die mich Nagel hinwies, ist um so wertvoller, als es sich auch hier
um lauter männliche Gestalten handelt. Fabius Pictor (bei Servius
zu Verg. Georg. I, 21) nennt ihre Namen: Vervactorem Redaratorem
(so Salmasius statt des überlieferten Reparatorem) Inporcitorem
Insitorern Obaratorem Occatorem Sarritorem Subruncinatorem Mes-
sorem Convectorem Conclitorem Promitorem. Mit der Reihe dieser
Zwölf, die cler flamen beinr Opfer für Tellus und Ceres anrief, ist
aber der Kreis der bei der Ackerbestellnng notwendigen Arbeiten
noch keineswegs umschrieben, und wir kennen aus anderen Über-
lieferungen weitereNamen von entsprechenden Indigitamentengöttern,
die solchen Arbeiten vorstehen. 28 Es ist also ganz klar, daß man
eine an sich unbegrenzte Vielheit von derartigen Schutzgöttern zur
sakralen Zwölfzahl abgerundet hat. Diese Zahl liat dann auch Varro
beibehalten für seine agricolares dei, die er den zwölf städtischen cli
consentes entgegenstellt. Sie unterscheiden sich von jenem anderen
Ackergötterkreis dadurch, daß sie aus männlichen und weiblichen
Göttern zusammengeordnet sind, allerdings sincl sie so seltsam, dafB
man sie wohl als Varros eigene Erfmdung betrachten darf. 29

27 Die wohl wesensgleichen OKÄripoi öeoi cler Solymer dagegen erscheinen
als Dreiheit, vgl. Plutarch, de def. orac. p. 421 DE.; Lobeck, Aglaoph. II, 1186;
Tbeuber, M. Mayer, LIöfer, a. a. 0. (oben Anm. 20). Ob man aus dem Verhältnis
dieser sowie der in Anm. 19 erwähnten Triade und Tetrade zu unserer Dodekas
etwas für die „Gesetze der Zahlenverschiebung“' gewinnen kann, weiß ich. nicht.
Die Beispiele, die Schultz (in dem Anm. 3 genannten Aufsatz) gesammelt hat, um
den Ersatz einer ursprünglichen Dreiheit durch eine sekundäre Zwölfheit zu er-
weisen, bedürfen der Nachprüfüng und Ergänzung; die lykischen Kreise der ccfptot
und OKkripoi -&eoi scheinen mir eher für ein gleichwertiges Nebeneinander der
beiden Rundzahlen zu sprechen, als für Ablösung der einen durch die andere.

28 Usener, Götternamen 76; Wissowa, Abhandlungen z. röm. Rel. 309 ff.;
Rei. u. Kultus 2 25; v. Domaszevvski, Abhandlungen z. röm. Rel. 159.

29 Varro, de re rust. I 1, 4ff.; v. Domaszewski, Abhandlungen 124 A. 4.

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