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Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 5. Abhandlung): Lykische Zwölfgötterreliefs: Untersuchungen zur Geschichte des dreizehnten Gottes — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33048#0036
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36

Otto Weinreich:

aber richtiger ist es zweifellos, bei cliesem Ausdmck an eine Bezug-
nahme auf den Zwölfgötteraltar zu denken, der ebenfalls auf der
Agora stand und an Berühmtheit dem Altar des Eleos nichts nach-
gab. Dah der Altar des Mitleids etwa unmittelbar bei dem der
Zwölfgötter errichtet worden sei, darf man daraus natürlich nicht
folgern; topographische Belehrung wird man aus dieser rhetorisch
stilisierten Wendung nicht entnehmen wollen.

Das tlinzutreten des Dreizehnten bedeutet zunächst nur eine
I-Iervorhebung, eine Betonung, einen Akzent, der ursprünglich so-
wolil nach der guten wie nach der schlimmen Seite gehen kann.
Es kann Steigerung der Zwölf sein, kann aber auch Störung der
heiligen Zahl bedeuten. Wie sehr derselbe Kreis in utramque partern
ausgedeutet werden kann, zeigt gerade das Beispiel Ghristi und
seiner Jünger. Betrachtet man die Apostel als unindividualisiertes
Kollegium und Ghristus ais den ,,Überschüssigen“, dann haben wir
die heilvolle Dreizehn. 49 Sondern wir Judas als den Uberschüssigen
aus, dann ist die böse 13 da. Erst das Ghristentum scheint die un-
heilvolle 13 zur Herrschaft gebracht zu haben. Aber zuweilen konnnt
doch die antike Bedeutung der 13 als steigernder, auszeichnender
Zahl wieder zu Ehren, so wenn Prometheus — ich meine den
Spittelerschen im Oiympischen Frühling (S. 36 der zweiten Aus-
gabe) — sagt:

„Ich hab’ ein Scliloß aus Luft gebaut mit Turm und Zinnen,

Ein Tausendwundergarten ist darum geländet

Auf dreizehn Bogen. Zwölf der Bogen sind vollendet,

Den letzten, schönsten Bogen aber werd’ ich biegen,

Wenn wir gefangen in des Hades Kerker liegen.“

Der tragische Einschlag, den die 13 für uns erhalten hat,
fehlt nicht: erst im Hades wird das Werk vollendet; aber daß der
letzte Bogen cler schönste ist, diese steigernde Bedeutung der Zahl

2320 f., dazu jetzt Robert, Pausanias als Schriftsteller, S. 341; über das philo-
stratische Zeugnis vgl. Wachsmuth, Stadt Athen, II, S. 439 A. 2.

49 Auf einen hübschen Nachklang dieses Motivs möchte ich hinweisen: Zum
Bau der Kirche von Haeckendover werden 12 geschickte Arbeiter ausgewählt.
„Das Werk gedieh so wohl, daß es ein groß Ergölzen war, die Steine also schnell
aufsteigen zu sehen. Aber wundersam war es, daß ihrer stets 13 bei der Arbeit
waren und zur Zeit des Essens und der Löhnung nicht rnehr denn 12. Denn
der Herr wollte wohl mit ihnen schaffen, aber nicht essen, noch trinken.“ Ich
kenne die Legende nur aus de Costers Nachbildung (Flämische Legenden, S. 39 f.,
Diederichs, Jena 1911), aber hei seiner Art zu arbeiten ist es sicher, daß er
alte Quellen verwertet hat; nur fehlen mir hier die Mittel, sie aufzuspüren.
 
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