Metadaten

Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 7. Abhandlung): Die Reservearmee des Kapitals — Heidelberg, 1913

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33050#0005
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Reservearmee des Kapitals.

5

aus entspringt die Notwendigkeit, den Betrieb der Konjunktur
anzupassen, was nur durch zeitweilige Einschränkung der Arbeits-
verwendung möglich ist. Bekanntlich gehen alle neueren Organisa-
tionsbestrebungen der Industrie dahin, jene verlorene Fühlung nach
Möglichkeit herzustellen und dadurch die ,,Ivrisengefahr fC zu
mindern. Darüber hinaus sucht der Einzelunternehmer, dem aus
sehr mannigfaltigen Gründen heute an möglichster Stetigkeit
seiner Arbeiterschaft liegt, eine Art von Spitzenausgleich zu er-
reichen mit Überarbeit einerseits, mit Einschränkung der Arbeits-
zeit andrerseits. Die Frage, ob nicht die Existenz einer Reserve-
armee für die Lohngestaltung zugunsten der Unternehmerschaft
im ganzen vorteilhaft sei, wird hierdurcli nicht berührt: dem
Einzelunternehmer aber ist sie jedenfalls heute mehr eine Ver-
legenheit als eine Annehmlichkeit.

Diese Unstetigkeit der Beschäftigung, die von der Unstetig-
keit der Konjunktur, die einst Lasalle so treffend geschildert hat,
herrührt, wird nun unter Umständen außerordentlich verschärft
durch das Einsetzen der Maschine, indem hierdurch Arbeit durch
Kapital ersetzt wird — ein Prozeß, der sich bekanntlicl^ immer
weiter durchsetzt und der einen neuen Typus Arbeiter, ,,den ange-
lernten Arbeiter“ in allen diesem Umwandlungsprozeß technisch
zugänglichen Industrien hervortreten läßt.

Marx selber hat den Hauptnachdruck auf diesen Ersatz der
Arbeit durch das stehende Kapital gelegt: es setzt den gelernten
Arbeiter frei, macht ihn dadurch zur Reserve für das Ausdehnungs-
bedürfnis und die Schwankungen der Produktion, wodurch er
dann den ständigen Druck auf den Arbeitslohn und die Herab-
drückung der Lebenshaltung der gesamten Arbeiterschaft aus-
übt. Er hat allerdings auch der Kompensation Rechnung getragen,
welche diese Arbeiter zu anderen Beschäftigungen überleitet, die
durch die allgemeine Konsumtionssteigerung rentabel gemacht sind,
insbesondere auf diejenige, welche durch die Produktion jenes
stehenden Kapitals, jener Maschinen selber ausgelöst wird. AUein
diese Nebenströmung vermag doch bei ihm die fatale Wirksamkeit
der Hauptströmung nur wenig abzuienken. Heute legen seine
Gegner auf jene Kompensation den Nachdruck; sie machen sich
aber ihre Aufgabe etwas zu leicht: denn wenn die freigesetzte
Arbeit untergebracht wird in Industrien, die wieder stehendes
Kapital fabrizieren, so steigert sich unablässig jene Schwierigkeit.
Die Natur des Kapitals, sich ins Grenzenlose auszudehnen, jenes
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften