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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 7. Abhandlung): Die Reservearmee des Kapitals — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33050#0009
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Die Reservearmee des Kapitals.

9

Sinne auch von der Industrie. In der großen Landwirtschaft
ist die Revolutionierung schon so weit gegangen, daß man eben-
sowohl die Sachsengänger als die Reserevearmee, die zum Ersatz,
gleichsam zur Auffüllung der ansässigen Landarbeiter dient, be-
zeichnen kann, wie auch umgekehrt — jetzt vielleicht schon mit
größerem Rechte — diese als Reservearmee jener, da man nur
noch auf sie zurückgreift, wenn jene Wanderarbeiter nicht in
genügender Anzahl zu haben sind.

So bleibt nur der große Unterschied, daß die industrielle
Reservearmee auf die Konjunktur, d. h. eine im wesentlichen
nicht zu berechnende Zufallserscheinung, zurückzuführen ist, ob-
wohl gerade KarlMarx sogar ziffernmäßig den Kreislauf der Krisen-
perioden glaubte feststellen zu können; die landwirtschaftliche
Reservearmee wird dagegen durch die natürlichen Redingungen
des Betriebs hervorgerufen, sie wechselt daher mit der Regel-
mäßigkeit der Gezeiten, wo man das Kommen und Gehen jener
mit der überraschenden Sturmflut vergleichen könnte. Selbst der
Einfluß des stehenden Kapitals hat diese natürlichen Verschie-
denheiten nur verschärft: die Dreschmaschine hat die Winter-
arbeit des Handdreschers ersetzt. Der Arbeitsbedarf der land-
wirtschaftlichen Unternehmungen schwankt nur den Jahreszeiten
nach, im ganzen steht er fest, —- fester als der Arbeitsbedarf
selbst der gefestigtsten Industrie. Daher braucht man zwar eine
Reservearmee, muß sie aber möglichst regulär zu organisieren
suchen. Das geschieht in der Tat dadurch, daß derselbe Vorar-
beiter nach Möglichkeit Jahr für Jahr dieselben Leute oder we-
nigstens Leute aus seinem Heimatdorf mitbring't; ergänzend
tritt dann für die eigentlich fluktuierende Reserve die Feldarbeiter-
zentrale ein. DerWunsch, auch die irreguläre, industrielle Reserve-
armee zumVorteil des Unternehmers ähnlich zu dirigieren, liegt
bekanntlich den einseitigen Arbeitsnachweisen der Arbeitgeber
zugrunde.

Die reguläre Reserve-Armee findet sich, in allen Saisonindu-
strien, den reinen wie den gemischten, wieder. Nur trägt sie dort
einen weniger ausgesprochenen Charakter als in der Landwirtschaft.
Sie ist lokalisiert, und deshalb ist der Arbeitsausgleich hier viel
einfacher. Der Wechsel der Arbeit kann schließlich ganz in die
Volkssitte aufgenommen werden, so daß dieses Ab- und Zuströmen
keine entsprechende Fluktuation der Arbeiterschaft selber mit sich
führt. Wenn sich dann eine Art von Symbiose sich ergänzender
 
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