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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 7. Abhandlung): Die Reservearmee des Kapitals — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33050#0011
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Die Reservearmee des Kapitals.

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Gesichtspunkten wie die Arbeitsbeschaffung zu betrachten und
eine analoge Stufenfolge aufzustellen. Den Ausgangspunkt bildet
auch hier der im Laufe des Betriebs ungleiche Kapitalbedarf.
Es erhebt sich daraus für den einzelnen Unternehmer clie Frage,
ob es vorteilhafter für ihn ist, die nötige Reserve, die die Anpassung
der Produktion an den Bedarf ermöglicht, selber zu halten oder
ihre Haltung auf andere abzuschieben. Auch hier wird man dann
von einer irregulären Reservearmee, die nur bei den Konjunktur-
schwankungen in Aktion tritt, uncl von einer regulären, die die
Kapitalhaltung dauernd auf ilire Schultern nimmt, sprechen
können. Wie sich dieses Verhältnis zu der Kreditgewährung
einerseits, zu der Arbeitsverteilung andrerseits verhält, wird
weiterhin zu betrachten sein.

Jede Wirtschaftsstufe bedarf der Reserve, um sich in gleich-
mäßiger Ordnung zu erhalten. Für die Bedarfsdeckungswirtschaft
war die Verbrauchsreserve, ihre Herstellung, Verwaltung, Er-
gänzung geradezu der Mittelpunkt, um den sie sich bewegte. In
der Magazinpolitik der Reichsstädte des 16. Jahrhunderts, auch
noch in derjenigen Friedrichs des Großen, die deshalb den Zeit-
genossen als die vollkommenste Organisation der Volkswirtschaft
erschienen sind, kommt clas zum Ausdruck. Der Begriff des
Kapitals selber löst sich bei den Physiokraten und noch bei
Adam Smith/ wie schon seine Ableitung aus dem Überschuß der
Produktion über die Konsumtion, seine Zurückführung auf die
Sparsamkeit zeigt, nur allmählich von dem cler Verbrauchsreserve ab.

Die kapitalistische Wirtschaft braucht ebenso die Produk-
tionsreserve, um einigermaßen die Stetigkeit des Betriebs auf-
rechtzuerhalten, die sonst gerade clurch ihre Eigenart überal]
bedroht ist. In jeder gut ausgerüsteten Fabrik sehen wir heute
die Hilfsmaschine — jetzt oft clie außer regelmäßigen Betrieb
gesetzte Dampfmaschine neben der Dampfturbine —-, um die
etwa erforderliche Mehrleistung aufzubringen. Die elektrischen
Wasserzentralen bedürfen gewöhnlich die Dampfzentrale zur Aus-
gleichung; diese Zentralen überhaupt sehen sich, um mit Vorteil
zu arbeiten, genötigt, miteinander in Verbindung zu treten: sie
werclen hier wechselseitig eine clie Reserve der andern;
und dies ist um so nötiger, da eine Kraftaufspeicherung im großen
hier fast unmöglich, jedenfalls sehr kostspielig ist. Ebenso wird
die Ausrüstung mit Arbeitsmaschinen immer den Normalbedarf
weit übersteigen. In Spinnereien sieht man bisweilen ein
 
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