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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 7. Abhandlung): Die Reservearmee des Kapitals — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33050#0017
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Die Reservearmee des Kapitals.

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lassen — vorläufig seinen Anteil gesichert bekommen hat, sind
alle Teilnehmer reguläre Truppen geworden; es fehlt die Reserve
zur Anpassung. Für die kleineren Unternehmer ist das immer
eine angenehme Lage, denn niemand gehört gerne zu einer
Reserve, die wieder gehen kann, wenn sie ihre Schuldigkeit getan
hat; in allen Ivartellenqueten sieht man, wie begeistert sie die
Kartelle loben und den Großen danken, daß sie ihnen ihr Plätz-
chen gönnen 1.

Aber in einem neuen Sinne werden auch sie doch wieder zur
Reservearmee für jene. Denn bei der Jagd nach der Beteiligungs-
ziffer, die sich unter der Decke des Kartellfriedens abspielt, bieten
ihre Anteile die einzige Möglichkeit, die Quote jener andern aufzu-
bessern. Weniger das reale Kapital, das sie besitzen, als das ideale,
über das sie verfügen, wird begehrt. So macht hier die Kapital-
vernichtung, die Stillegung, gerade clen Wert des Kapitals, der
wenigstens zum größeren Teile im bloßen Anspruch besteht, aus.
Diese Reservetruppe, die ihren Ursprung einer Organisation ver-
dankt, die sie als Reservetruppe beseitigen wollte, dient also nur
zur Auffüllung, nicht zur Ausgleichung cler Großbetriebe; sie wird
nicht abgestoßen sondern aufgebraucht.

Uberhaupt erweist sich in den Kartellen auf die Dauer der
Versuch, die schwächeren Betriebe über die Fährlichkeiten des
Konkurrenzkampfes hinauszuheben, als schwer durchführbar.
Völlig muß er scheitern, wenn er bis zu der Konsequenz geht,
die Austeilung gesetzlich zu regeln, oline die Anzahl der Berecli-
tigten gleichzeitig zu fixieren, wie es im Kaligesetz geschehen ist.
Aus Angst vor einer Kapitalverwüstung, die einmal eintreten könnte,
wenn die minder Leistungsfähigen zur Reservetruppe der Best-
gerüsteten würden, hat man hier eine unsinnige Kapitalvergeudung
durch eine vorläufig fast schrankenlose Kapitalvermehrung
prämiiert. Aus diesem circulus vitiosus zeigt sich kaum noch ein
Ausweg; in andern Kartellen findet die allmähliche Bereinigung
statt; ob alsdann eine bescheidene Anzahl mittlerer Unterneh-
mungen als Reservetruppe der Großen übrig bleibt, hängt größten-
teils vom Stand der Technik ab. Für Expansion und Kontraktion
dürfte eine solche selbst noch in der Eisenindustrie, minder freilich
in der Montanindustrie, für clie die Reserve-Armee der Arbeit um
so wichtiger ist, rätlich sein. Außerdem aber braucht diese die

1 In wahrhaft erheiternder Weise tritt das in der neuesten, der öster-
reichischen, zutage.

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