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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 7. Abhandlung): Die Reservearmee des Kapitals — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33050#0034
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E. Gothein:

Kommissionsgeschäftes fast reine Speditionsstadt geworden war,
entwickelte sich aus der Spedition ein solides Bankgeschäft: hatte
der Spediteur ursprünglich nur Kredit für die ihm zum Transport
übergehenen Waren bis zur Aushändigung an die Bestimmungs-
person gegen Entrichtung der Valuta Kredit gewährt, so hetei-
ligte er sich nun an regelmäßigem Wechselverkehr: sein Kapital,
das früher nur als reguläre Reservetruppe für den Kaufmann
galt, übernimmt selber die Führung. In Köln und Frankfurt sind
so besonders die christlichen Bankfirmen entstanden, während
die jüdischen yom Geldsorten- und Wechselgeschäft gleich von
vornherein ihren Ausgang nehmen.

Jene Verbindung von Spedition und Beleihung ist in den
großen Fagerliausgesellschaften weiter entwickelt worden; dagegen
genießt das Kommissionsgeschäft im ganzen nicht rnehr diese
alte volkswirtschaftliche Bedeutung, weil andere Formen der
Kapitalbeschaffung für große Aufgaben an seine Stelle getreten
sind. Wo aber der Kommissionär durch die besondere Beschaffen-
lieit des Geschäftszweiges wünschenswert oder beinahe erfor-
derlich geblieben ist, da tritt auch sofort wieder der Fall ein,
daß ihm die Kapitalhaltung zufällt, daß er zum ,,Bankier“ seiner
Auftraggeber wird. In zwei sehr verschiedenartigen Handels-
zweigen ist dies der Fall: im Viehhandel und im Buchhandel.
Und in beiden gewährleistet das Verliältnis die Existenz mittlerer
und kleinerer Handelsbetriebe.

Sobald die Fleischversorgung eines größeren Platzes sich auf
ferne Produktionsgebiete erstreckt, die zugleich auch für andere
Plätze von Bedeutung sind, tritt der Viehkommissionär auf.
Deshalb setzte er z. B. in Mannheim, einem Mittelplatze, beim
Schweinehandel schon ein, als er bei der Bescliaffung des Groß-
viehs noch entbehrlich war. Dem Viehhandel selber, der größtenteils,
und bei unseren landwirtschaftlichen Verhältnissen naturgemäß,
zersplittert und individualisiert ist, fehlt die Übersicht über den
Markt, fehlt damit die Möglichkeit der richtigen Verschiebung
der Ware und der Anpassung an den Bedarf. Für den Ivommissio-
när wird das Schwein zu einer vertretbaren Ware, was es für
Händler und Metzger nie sein kann. So etabliert sich der Kom-
missionär als eine sehr kapitalkräftige Großfirma, zumal nur bei
sehr großem Umsatz die an sich geringe Kourtage das Geschäft
lohnend macht. Zugleich fehlt es aber Händlern und Metzgern
meist an Kapital, während der Viehproduzent bar ausbezaldt
 
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