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Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 9. Abhandlung): Beiträge zur Geschichte der Herzöge von Burgund: IV. König Heinrich V. von England und Herzog Johann von Burgund im Jahre 1414 — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33052#0010
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10

Otto Cartellieri:

nicht, da Heinrich souverän sei, Johann aber einen Lehns-
herrn habe und diesen vom Vertrag ausnehme. Daher verlangten
die Engländer, Joliann solle die Städte und Schlösser Boulogne-
sur-Mer und Idesdin, sowie die Schlösser Esparleque 44 und Tour-
nehem 45 dem König Heinrich übergeben und daselbst zwei Jahre
lang englische Garnisonen unterhalten. Doch diese Forderung
lehnte Johann ab, er war aber geneigt, Ersatz zu leisten 46.

Aucli sonst wurdenkeineswegs alleWünsche Heinrichs V. befrie-
digt. Sicherlich wäre es für ihn günstiger gewesen, wenn sich J ohann
offen und unumwunden mit ihm gegen König Karl und den Dauphin
verbündet hätte wie gegen die Armagnaken. Heinricli gedachte ja
das Lehnsband zu zerreißen, das Johann anFrankreich fesselte. Er
war willens, selbst Oberherr von Flandern werden, wie er es
König Karl kundgab 47. Aber darauf wollte der Burgunder nicht
eingehen, um so melir, als inzwischen durch den Präliminarvertrag
von Arras (4. September 1414) eine Aussöhnung mit Karl und den
Armagnaken angebahnt war. Unklarheiten ergaben sich zweifel-
los dadurch, daß Karl und der Dauphin von dem Vertrage ausge-
nommen wurden. Aber was bedeutete im Grunde die Klausel ?
Sie tat, wie Johann ausdrücklich erklärte, den anderen Bestim-
mungen nicht Abbruch. Er war willens, den Eroberungszug Hein-
richs nach Frankreich zu unterstützen, einmal dadurch, daß er
ihm half, die Gebiete der Armagnaken zu gewinnen, dann dadurch,
daß er bei dem Kampfe zwischen Heinrich und Ivarl seine Neutrali-
tät bewahrte. Er schreckte also nicht davor zurück, seinen Lehens-
herrn wider Recht und Gebot im Stiche zu lassen. Dies Zuge-
ständnis war außerordentlich wertvoll, es ließ verschmerzen, was
Johann sonst nicht gewähren wollte. Der Kriegsplan ergab sicli
von selbst: wie einst im Jahre 1346 König Eduard, so mußte jetzt
Heinrich nach der Normandie segeln. War diese wichtige Pro-
vinz gewonnen, so galt es mit Johann das Schwert gegen die Ar-
magnaken zu führen. ,

Wichtiges war erreicht. Es ist nicht zu verwundern, daß
Heinrich jetzt an den ,,Gegner von Frankreich“ unerfüllbare
Forderungen stellte und aus der Lilienkrone die schönsten Steine
begehrte. -—-

44 Pas de Calais; Arr. Saint-Omer; Canton Ardres.

45 Pas de Calais; Arr. Saint-Omer; Canton Ardres.

46 L. q. § 10. Y. § 19. St. 0. § 11.

47 S. den Bericht über Heinrichs Forderungen Foedera IV, 2 77.
 
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