Beiträge zur Geschichte der Herzöge von Burgund. IV. 11
Es war ein gefährliches Wagnis, auf das sich Johann einließ.
Er wurde der väterlichen Politik untreu. Wohl war Philipp der
Ivühne mit Rücksicht auf Flandern für eine friedliche Auseinander-
setzung mit dem Lancaster eingetreten und hatte die Erneuerung
des großen Waffenstillstandes von 1396 betrieben. Aber der Herzog,
der nachmals von Chastellain als der unentbehrliche Pfeiler des
Throns gepriesen wurde, hätte niemals den Engländer nacli Frank-
reich hineingelassen. Anders Johann. Er folgte dem schamlosen
Beispiel der Armagnaken, die im Jahre 1412 Heinrichs IV. Hilfe
mit der Abtretung französischen Gebietes erkaufen wollten. Wo
blieben seine Versprechungen, Blut und Gut für seinen König zu
wagen ? Hatte er nicht einen Mord auf sein Gewissen geladen,
um König und Reich zu retten ? Volentes fidelitatem nostram
erga regem eiusque florentissimam sobolem ac ipsius rei publice
bonum conservare sanam et, uti tenemur, illesam, coacti sumus
sepe dicti ducis Aurelianensis transitui ex hoc munclo cum quam
minore scandalo ac sanguinis effusione fieri potuit prebuisse con-
sensum. . . . Profecto in hac re gloriam nostram non quesumus,
sed regalis domus ac totius regni salutem. So schrieb Johann bald
nach der Schreckenstat an Fürsten und Völker zu seiner Recht-
fertigung 48. Er warf Ludwig von Orleans als fluchwürdiges Ver-
brechen vor, nach der Königskrone gestrebt zu haben. Was wollte
er selbst tun ? Wenn er seinem Lehnsherrn den schuldigen Bei-
stand versagte und dadurch Heinrich den Sieg ermöglichte oder
erleichterte, gab er damit nicht die Valois, die durch einen unglück-
seligen Kranken vertreten wurden, schnöde preis ? Gelang die
Schwächung, ja die Vernichtung der Armagnaken — und nach den
bisherigen glänzenden Leistungen der englischen Kriegführung
war dies anzunehmen — bedeutete dann die starke englische, seinen
eigenen Besitzungen benachbarte Macht nicht auch eine Gefahr
für den Herzog-Grafen von Burgund-Flandern ? Stellte er seine
Volkstümlichkeit nicht leichtsinnig aufs Spiel, wenn er sich mit
den in weiten Kreisen verhaßten „Caudati“ einließ ? Mit welcher
Empörung hatte man im Jahre 1411 das von den Armagnaken
geflissentlich verbreitete Gerücht aufgenommen, Johann habe dem
englischen König flandrische Häfen abgetreten, habe ihm Hilfe
zur Eroberung der Normandie und Guyenne verheißen. Im Präli-
48 In dem interessanten, noch unveröffentlichten Manifest vom 17. Fe-
bruar 1408, das die Grundlage der Justificatio des Johann Petit bildet.
Es war ein gefährliches Wagnis, auf das sich Johann einließ.
Er wurde der väterlichen Politik untreu. Wohl war Philipp der
Ivühne mit Rücksicht auf Flandern für eine friedliche Auseinander-
setzung mit dem Lancaster eingetreten und hatte die Erneuerung
des großen Waffenstillstandes von 1396 betrieben. Aber der Herzog,
der nachmals von Chastellain als der unentbehrliche Pfeiler des
Throns gepriesen wurde, hätte niemals den Engländer nacli Frank-
reich hineingelassen. Anders Johann. Er folgte dem schamlosen
Beispiel der Armagnaken, die im Jahre 1412 Heinrichs IV. Hilfe
mit der Abtretung französischen Gebietes erkaufen wollten. Wo
blieben seine Versprechungen, Blut und Gut für seinen König zu
wagen ? Hatte er nicht einen Mord auf sein Gewissen geladen,
um König und Reich zu retten ? Volentes fidelitatem nostram
erga regem eiusque florentissimam sobolem ac ipsius rei publice
bonum conservare sanam et, uti tenemur, illesam, coacti sumus
sepe dicti ducis Aurelianensis transitui ex hoc munclo cum quam
minore scandalo ac sanguinis effusione fieri potuit prebuisse con-
sensum. . . . Profecto in hac re gloriam nostram non quesumus,
sed regalis domus ac totius regni salutem. So schrieb Johann bald
nach der Schreckenstat an Fürsten und Völker zu seiner Recht-
fertigung 48. Er warf Ludwig von Orleans als fluchwürdiges Ver-
brechen vor, nach der Königskrone gestrebt zu haben. Was wollte
er selbst tun ? Wenn er seinem Lehnsherrn den schuldigen Bei-
stand versagte und dadurch Heinrich den Sieg ermöglichte oder
erleichterte, gab er damit nicht die Valois, die durch einen unglück-
seligen Kranken vertreten wurden, schnöde preis ? Gelang die
Schwächung, ja die Vernichtung der Armagnaken — und nach den
bisherigen glänzenden Leistungen der englischen Kriegführung
war dies anzunehmen — bedeutete dann die starke englische, seinen
eigenen Besitzungen benachbarte Macht nicht auch eine Gefahr
für den Herzog-Grafen von Burgund-Flandern ? Stellte er seine
Volkstümlichkeit nicht leichtsinnig aufs Spiel, wenn er sich mit
den in weiten Kreisen verhaßten „Caudati“ einließ ? Mit welcher
Empörung hatte man im Jahre 1411 das von den Armagnaken
geflissentlich verbreitete Gerücht aufgenommen, Johann habe dem
englischen König flandrische Häfen abgetreten, habe ihm Hilfe
zur Eroberung der Normandie und Guyenne verheißen. Im Präli-
48 In dem interessanten, noch unveröffentlichten Manifest vom 17. Fe-
bruar 1408, das die Grundlage der Justificatio des Johann Petit bildet.