Metadaten

Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 12. Abhandlung): Eros und Psyche in der ägyptisch-griechischen Kleinkunst — Heidelberg, 1914

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33315#0014
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
14

Richard Reitzenstein:

wacht, traumhaft ist, so möchte ich glauben, daß die längste und
wichtigste Motivreihe im Psychemärchen ursprünglich nichts war
als eine Aneinanderreihung von Erlehnissen und Empfindungen
des Traumes und daß an diese sich Züge aus anderen Märchen
anschlossen.“ Ich glauhe, daß hier ein methodisches Yersehen
vorliegt. Selbst wenn wir die Entstehung des Märchens psycho-
logisch aus dem Traumlehen erklären wollen 1, dürfen wir nie ohne
weiteres folgern, daß, was immer in einer heliebigen Erzählung an
,,Traummotive“ erinnern kann, Märc-hen ist ocler auch nur dem
Ursprung nach aus Märchen stammt, uncl wir clürfen es am wenig-
sten, wenn entweder eine Kunsterzählung aus reifer literarischer
Zeit oder ein Göttermythos in Frage kommt. Es heseitigt meine
Bedenken nicht, wenn von der Leyen nun fortfährt: ,,clie Qualen
uncl Wanderungen der Seele im Traum haben sich aber auch früh-
zeitig in das Religiöse gesteigert und wurden der Inhalt mancher
alten Mysterien. Vielleicht daß Apuleius oder cler Vorgänger,
aus dem er schöpfte, in Erinnerung an solche Mysterien clas alte
Märchen in clas Geheimnisvolle uncl Religiöse herüberschillern
iieß.“ Vorausgesetzt wird hier doch, daß clie Namen und Be-
griffe Eros und Psyche ganz sekundär uncl willkürlich sind, währencl
cler archäologische Befund uns clie Frage aufdrängt, ob es sich
nicht wirklich um einen Mythos handelt, der clann immerhin
märchenhaft ausgestaltet sein mag. Spiegelt doch geracle diese
Kleinkunst unendlich oft mythologische Vorstellungen und Mythen
und zeigt uns etwa clas Horuskind auf der Lotosblume, Horus als
Krieger zu Fuß oder Roß oder Horus als König der beiden Länder.
Freilich schließt, wie gerade dies Beispiel zeigt, frühzeitig die Er-
weiterung an; genrehafte Züge misclien sich mit ein; wir können
oft nicht genau scheiden 2. Aber wir haben ja auch keinen helle-
nistischen Mythos in ähnlicher Ausgestaltung literarisch über-
liefert, wie den von Eros und Psyche.

Aus anderen Ländern und Kulturkreisen sind mir diesbezügliche
Darstellungen, die derartig zu ihrem Verständnis notwendig die

1 Ich würde das immer nur für eiüen Teil als möglich zugeben.

2 Mit Recht verweist mich Wilh. Weber auf S. 66 seines Terralcotten-
werkes: aus der Darstellung des Horus mit dem heiligen Tier als Symbol
wird in der hellenistischen Ivunst die genrehafte Darstellung, wie das Horus-
kind mit dem heiligen Tiere spielt, wie bei Raffael das Jesuskind mit dem
Lamme spielt oder auf ihm reitet. Die bildende Kunst gibt in dieser Mischung
des Mythologischen und Genrehaften das Gegenstück zu der alexandrinischen
Poesie.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften