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Hermann Güntert:
karnd- ‘auritus’) entnehmen 1. Das Substantiv stirbt im Mittel-
iranischen bereits ab, nur das Adjektivum erhielt sich: np. 'yb karr
„taub“.
32. So haben wir auch anzunehmen, daß aw. pw&ra- das
Synonym hunu- zurückgedrängt hatte; wenn wir wieder aus dem
erreichten Zustand der späteren Sprachentwicklung Rückschlüsse
auf den vorher zurückgelegten Weg ziehen dürfen, so stellt sich
heraus, daß puftra- im späteren Iranischen durchaus lebendig war
(es genügt der Hinweis auf np. pusar „Sohn“); hunu-
dagegen ist abgestorben und später nicht mehr nachweisbar. Das
in kräftigem, blühenden Leben stehende Wort war zweifellos dem
schon kränkelnden und dem Hinsterben geweihten Synonym über-
legen, uncl da hier eine Neubildung nicht vorhanden war, ist uns
jetzt clie scheinbar so künstliche Verteilung dieser beiden Wörter
ganz begreiflich. Nicht nur hunu- selbst, seine ganze Sippe war
im Niedergang begriffen: das zugehörige Verbum aw. hü- = ai. süte
„zeugt, gebiert“ begegnet im Awesta nur an einer Stelle, und da
wird es gleichfalls von damschen Wesen gebraucht, von den Kindern
der Drug- (V. 18, 30); aus dem Buchpahlawi ist visüt „mißgeboren“
(vgl. Aog. 89) zu erwähnen, im Neupersischen und den anderen
iranischen Dialekten ist das Verbum nicht nachzuweisen. Ferner
wird liazanrö-hunä- „1000 Junge gebärend“ einmal (V. 18, 65) vom
Froschweibchen, also einem damschen Tiere, gesagt, und haota-,
clas auch nur an einer Stelle vorkommt (Yt. 13, 89) von damschen
Wesen, entspricht in seiner Bedeutungsfärbung etwa dem nhd.
„Gezücht“ oder „Brut“. Das Oppositum zu hü- ist (ahur.) zan-
„zeugen, gebären“, clas im Awesta sehr häufig begegnet und auch
im Neuiranischen in ungebrochener Kraft am Leben ist (np.
zädan).
33. Die gleiche Beobachtung Iäßt sich bei dem Paar zasta-
(ahur.) und gu- (daev.) „Hand“ (Dual gava) machen; zwar ist auch
gu- altererbt und zu lat. vola „Wölbung der Hancl“, gr. syyuaXt^ca
„händige ein“ usw. zu stellen; auch aw. gaona- „Vorteil, Gewinn“,
günaoiti „verschafft“ geliört zweifellos zu dieser Wortfamilie. Justis
Verbindung von gu- mit aw. fava- „eilen“, ai. jdvate „eilt“ istganz
verkehrt. Aber wieder steht der eine der beiden Rivalen, nämlich
zasta-, in voller Blüte, vgl. apers. dasta-, np. dast, während
gu- später unterging, claher schon im Awesta von seinem kräftigeren
1 Zum Bedeutuügsübergang ,,Ohr“ zu ,,taub“ vgl. Bartholomae IF 3,
169 A 2, zur Form Johansson WZKM 19, 237.
Hermann Güntert:
karnd- ‘auritus’) entnehmen 1. Das Substantiv stirbt im Mittel-
iranischen bereits ab, nur das Adjektivum erhielt sich: np. 'yb karr
„taub“.
32. So haben wir auch anzunehmen, daß aw. pw&ra- das
Synonym hunu- zurückgedrängt hatte; wenn wir wieder aus dem
erreichten Zustand der späteren Sprachentwicklung Rückschlüsse
auf den vorher zurückgelegten Weg ziehen dürfen, so stellt sich
heraus, daß puftra- im späteren Iranischen durchaus lebendig war
(es genügt der Hinweis auf np. pusar „Sohn“); hunu-
dagegen ist abgestorben und später nicht mehr nachweisbar. Das
in kräftigem, blühenden Leben stehende Wort war zweifellos dem
schon kränkelnden und dem Hinsterben geweihten Synonym über-
legen, uncl da hier eine Neubildung nicht vorhanden war, ist uns
jetzt clie scheinbar so künstliche Verteilung dieser beiden Wörter
ganz begreiflich. Nicht nur hunu- selbst, seine ganze Sippe war
im Niedergang begriffen: das zugehörige Verbum aw. hü- = ai. süte
„zeugt, gebiert“ begegnet im Awesta nur an einer Stelle, und da
wird es gleichfalls von damschen Wesen gebraucht, von den Kindern
der Drug- (V. 18, 30); aus dem Buchpahlawi ist visüt „mißgeboren“
(vgl. Aog. 89) zu erwähnen, im Neupersischen und den anderen
iranischen Dialekten ist das Verbum nicht nachzuweisen. Ferner
wird liazanrö-hunä- „1000 Junge gebärend“ einmal (V. 18, 65) vom
Froschweibchen, also einem damschen Tiere, gesagt, und haota-,
clas auch nur an einer Stelle vorkommt (Yt. 13, 89) von damschen
Wesen, entspricht in seiner Bedeutungsfärbung etwa dem nhd.
„Gezücht“ oder „Brut“. Das Oppositum zu hü- ist (ahur.) zan-
„zeugen, gebären“, clas im Awesta sehr häufig begegnet und auch
im Neuiranischen in ungebrochener Kraft am Leben ist (np.
zädan).
33. Die gleiche Beobachtung Iäßt sich bei dem Paar zasta-
(ahur.) und gu- (daev.) „Hand“ (Dual gava) machen; zwar ist auch
gu- altererbt und zu lat. vola „Wölbung der Hancl“, gr. syyuaXt^ca
„händige ein“ usw. zu stellen; auch aw. gaona- „Vorteil, Gewinn“,
günaoiti „verschafft“ geliört zweifellos zu dieser Wortfamilie. Justis
Verbindung von gu- mit aw. fava- „eilen“, ai. jdvate „eilt“ istganz
verkehrt. Aber wieder steht der eine der beiden Rivalen, nämlich
zasta-, in voller Blüte, vgl. apers. dasta-, np. dast, während
gu- später unterging, claher schon im Awesta von seinem kräftigeren
1 Zum Bedeutuügsübergang ,,Ohr“ zu ,,taub“ vgl. Bartholomae IF 3,
169 A 2, zur Form Johansson WZKM 19, 237.