Die Hypothese des Unbewußten.
stehen. Man schreckt kaum mehr vor der unheimlichen Vorstel-
lung zurück, daß zu unserem seelischen Lehensbestand Inhalte,
Regungen und Strebungen gehören können, von denen wir in dem
klaren Ablauf unserer bewußten Tätigkeiten nichts ahnen, — daß
wir darauf gefaßt sein müssen, aus dieser dunklen Tiefe Mächte in
uns selbst aufsteigen zu sehen, denen unser rational bewußtesWesen
nicht gewachsen ist. Was an Leidenschaft und Unvernunft aus
unbekannten Gründen in das Menschenleben einbricht, das gilt als
willkommene Bestätigung dieser Lebensauffassung, und alle irratio-
nalen Neigungen der heutigen Weltansicht haben hier in der dämo-
nischen Macht des Unbewußten ihren willkommenen Sammelpunkt.
Lassen Sie mich nur an die Auswüchse der sogenannten Psycho-
Analyse erinnern, um die bedenklichenFolgerungen zukennzeichnen,
die sich daraus ergeben können.
Wenn ich Sinn und Wert dieser Hypothese mit Ihnen einer
Betrachtung zu unterziehen versuche, so werden Sie nicht von mir
erwarten, daß ich den einzelnen Wendungen oder Anwendungen
der Hypothese nachgehe. Das ist nicht meine Aufgabe, und ich
würde als der Laie, der ich in der heutigen Psychologie bin, kaum
das Recht dazu haben oder anerkannt finden. Ich kann die Frage
des Unbewußten nur an dem Punkte aufnehmen, wo sie heute — in
dem eingangs angedeuteten Sinne — von der empirischen Wissen-
schaft der Philosophie als Problem übergeben wird, und ich kann
von da aus versuchen, dies Problem allgemeinen philosophischen
Uberlegungen einzufügen.
Dazu gehört in erster Linie eine methodologische Besinnung,
die aber sogleich auch, wie es stets derFall ist, die sachlicheProblem-
lage berühren muß. Denn man kann keine methodologische Unter-
suchung anstellen, ohne von den Dingen zu reden, auf welche
die Methode angewendet werden soll.
Das ,,Unbewußte“, von dem in diesem Zusammenhange die
Rede ist, ist niemals eine Tatsache der Erfahrung, niemals der
Inhalt eines Wahrnehmungserlebnisses: wäre es dies, so wäre es ja
bewußt. Das Unbewußte, von dem in der Psychologie die Rede
ist, bedeutet immer die Annahme eines Tatsächlichen, das wir
nicht selbst erfahren, also eine Hypothese, und zwar eine solche,
die nicht in dem eigensten Sinne des Wortes verifizierbar ist: denn
wäre es hinterher erfahrbar, so wäre es wiederum nicht mehr das
Unbewußte. Das Motiv aber der Hypothese besteht in dem Be-
dürfnis der Erklärung der Bewußtseinszustände, die wir erfahren;
stehen. Man schreckt kaum mehr vor der unheimlichen Vorstel-
lung zurück, daß zu unserem seelischen Lehensbestand Inhalte,
Regungen und Strebungen gehören können, von denen wir in dem
klaren Ablauf unserer bewußten Tätigkeiten nichts ahnen, — daß
wir darauf gefaßt sein müssen, aus dieser dunklen Tiefe Mächte in
uns selbst aufsteigen zu sehen, denen unser rational bewußtesWesen
nicht gewachsen ist. Was an Leidenschaft und Unvernunft aus
unbekannten Gründen in das Menschenleben einbricht, das gilt als
willkommene Bestätigung dieser Lebensauffassung, und alle irratio-
nalen Neigungen der heutigen Weltansicht haben hier in der dämo-
nischen Macht des Unbewußten ihren willkommenen Sammelpunkt.
Lassen Sie mich nur an die Auswüchse der sogenannten Psycho-
Analyse erinnern, um die bedenklichenFolgerungen zukennzeichnen,
die sich daraus ergeben können.
Wenn ich Sinn und Wert dieser Hypothese mit Ihnen einer
Betrachtung zu unterziehen versuche, so werden Sie nicht von mir
erwarten, daß ich den einzelnen Wendungen oder Anwendungen
der Hypothese nachgehe. Das ist nicht meine Aufgabe, und ich
würde als der Laie, der ich in der heutigen Psychologie bin, kaum
das Recht dazu haben oder anerkannt finden. Ich kann die Frage
des Unbewußten nur an dem Punkte aufnehmen, wo sie heute — in
dem eingangs angedeuteten Sinne — von der empirischen Wissen-
schaft der Philosophie als Problem übergeben wird, und ich kann
von da aus versuchen, dies Problem allgemeinen philosophischen
Uberlegungen einzufügen.
Dazu gehört in erster Linie eine methodologische Besinnung,
die aber sogleich auch, wie es stets derFall ist, die sachlicheProblem-
lage berühren muß. Denn man kann keine methodologische Unter-
suchung anstellen, ohne von den Dingen zu reden, auf welche
die Methode angewendet werden soll.
Das ,,Unbewußte“, von dem in diesem Zusammenhange die
Rede ist, ist niemals eine Tatsache der Erfahrung, niemals der
Inhalt eines Wahrnehmungserlebnisses: wäre es dies, so wäre es ja
bewußt. Das Unbewußte, von dem in der Psychologie die Rede
ist, bedeutet immer die Annahme eines Tatsächlichen, das wir
nicht selbst erfahren, also eine Hypothese, und zwar eine solche,
die nicht in dem eigensten Sinne des Wortes verifizierbar ist: denn
wäre es hinterher erfahrbar, so wäre es wiederum nicht mehr das
Unbewußte. Das Motiv aber der Hypothese besteht in dem Be-
dürfnis der Erklärung der Bewußtseinszustände, die wir erfahren;