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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 8. Abhandlung): Des Athanasius Werk über das Leben des Antonius: ein philologischer Beitrag zur Geschichte des Mönchtums — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.33311#0053
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Des Athanasius Werk über das Leben des Antonius.

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sich schnell in den von ihnen beeinflußten Kreisen, bis, wie ich
schon erwähnte, άσκητής die allgemeine Bezeichnung wird, die
sich selbst durch das neue Wort μοναχός oder μονάζων nicht mehr
verdrängen läßt. In dem sprachlichen Prozeß spiegelt sich, wie
immer, ein Stück der Geistesentwicklung. Die christliche Askese
hat durch die großen Alexandriner eine entscheidende Umge-
staltung erfahren. Ursprünglich wurzelt sie im Gnostizismus 1,
wenn auch jüdische Einflüsse daneben mitwirken mögen. Sie
macht den Menschen zum Wunderwesen, indem sie ihm das
πνεΰμα verleiht; er ist kein Mensch mehr. Damit aber löst sie ihn
tatsächlich aus der Gemeinde oder wenigstens aus lhrer Organi-
sation. und stellt ihn ganz auf sicli selbst 2. Die Gefahr, die hierin
für die Kirche lag, schien hehoben, als ein Rückgreifen auf die
echt-griechische Philosophie die orientalischen Elemente des
Gnostizismus zurückdrängte und die so umgebildete Gnosis als
φι,λοσοφία in die Kirche einführte. So ward auch die άσκησις, nicht
mehr die Ubung des Εαυματοποιός oder des Wunderwesens, sondern
des christlichen Philosophen, Dienerin der Kirche, obwohl sie
immer noch verlangte, ein χάρι,σμα σοφίας καί γνώσεως zu geben.
Die Kirche erkannte diesen gefährlichen Anspruch zunächst an
und konnte es um so eher, als die christlichen Philosophen in die
Organisation des Klerus eintraten 3 und umgekehrt die Kleriker in

1 Ich habe in den 'Hellenistischen Wundererzählungen’ versucht, das
für die Forderungen der sexuellen Enthaltsamkeit ausführlich nachzuweisen.
Sie gründet sich zunächst auf die Anschauung einer geschlechtliche.n Vereini-
gung mit dem Gott. Daß diese Anschauung in die Kirche eindringt und um-
geformt und abgeschwächt 'gemeinchristlich’ wird, berechtigt nicht, sie als
'nicht gnostisch’ zu bezeichnen. Für die spätere Zeit genügt es, auf Diadochus
von Photike oder Euagrius zu verweisen. Die Begriffe άσκησις und γνώσις
hängen unlöslich zusammen; jener gibt den Weg, dieser das Ziel der indivi-
dualistischen Frömmigkeit an.

2 Ignatius an Polykarp 5,2: εί' τι.ς δύναται έν άγνεία μένειν είς τιμ.ήν τής
σαρκός τοϋ κυρίου (vgl. noch Euagrius Mönchsspiegel v. 118: σάρκες κυρίου πρακτι-
καί άρεταί), έν άκαυχησία μενέτω. έάν καυχήσεται, άπώλετο. καί έάν γνο:>σ·8·ή πλέον
τοΰ έπισκόπου, εφθαρται zeigt die Opposition der Asketen gegen den Bischof
und zeigt, daß sie durch die Askese leiblich Christus gleich zu werden meinten,
wie sie nach der neugefundenen Schrift den sechs πρωτόκτιστοι άγγελοι gleich
zu werden meinen. Mit dieser leiblichen Nachahmung ist offenbar eine Wunder-
kraft verbunden, die den Träger, sobald er sie zeigen will, weit bekannt
macht. Der Sinn ist in den Ausgaben des Ignatius durch die falsche Inter-
punktion (nach μένειν) zum Teil verdunkelt.·

3 Ein wichtiges Dokument aus dieser Entwicklung hat E. Schwartz
(Nachr. d. Gött. Gesellsch. 1905 S. 169 ff.) ans Licht gezogen. Petrus von
 
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