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Richard Reitzenstein:
dem Herrn sein Wort gegeben (λόγον διδόναι. θ-εώ, in der Mönchs-
literatur gleich έπαγγέλλεσθαί, θεω). Wenn er d.as Bischofsamt
annimmt, bricht er den Eid (sein Wort); die Rückkehr in die Welt
ist άμαρτία, das Bischofsamt selbst nur άφορμή τοΰ άμαρτάνειν
(c. 9 p. 532 C Migne). Athanasius beschwichtigt diese Bedenken
des Mönches durch den Hinweis darauf, daß nur Gottes Wille zum
Bischof macht, Gott also ihn seines Wortes entbindet und ihm
einen neuen Auftrag gibt, und daß er ja auch als Bischof die Askese
weiter üben kann 1. Daß Dracontius auch aus Hochmut zögert
und als Mönch Wunderkraft zu erwerben hofft, wird nur ange-
deutet. Auf diesen Gegensatz zwischen Mönchen und Klerikern
weist Hieronymus in seiner Schilderung der Remnuoth tadelnd hin
(vgl. oben S. 46) und erliegt doch selbst dem Mönchsempfinden,
wenn er den römischen Klerikern gegenüber aus seinem kurzen
Wüstenaufenthalt das Recht auf eine besondere Würdigung und
Geltung herleiten möchte. In einer ganzen Reihe von älteren
Mönchserzählungen kommt dieser Gegensatz unverhüllt zum Aus-
druck. Sie zeigen zugleich auch die Eingriffe der Mönche in die
Seelsorge, z. B. in der έπίσκεψις παρθένων, von der schon Hiero-
nymus redet 2. Aus diesem Gegensatz will der βίος ’Αντωνίου zu-
nächst begriffen werden. Er will zunächst den άποταξάμενοι ein
Yorbild ihres Lebens und eine der Kirche nicht schädliche, sondern
nach Überzeugung des Athanasius nützliche Betätigung weisen.
Von hier aus verstehen wir die Wahl der literarischen Yor-
lage. Der Vergleich der christlichen Askese mit der altgriechischen
Philosophie war durch die Entwicklung selbst gegeben; die 'Philo-
sophie’ war ihr Ruhm. Nur ein neues Bild der ecliten 'Philosophie’
1 Zögert Dracontius länger, so wird vielleicht ein Arianer eingesetzt. —
Den Standpunkt des Mönchs gegen den Bischof vertritt die Erzählung Histor.
Laus. c. 11 (p. 32 Butler): der echte Mönch wird lieber sich selbst verstüm-
meln, als sich von dem Bischof zur Übernahme des Amtes zwingen lassen.
2 Über die ursprünglich von den Gemeinden erhaltenen -αρθένοι und
χήραι hat der Bischof die Oberaufsicht. Die άποταξάμεναι müßten rechtlich
ganz unabhängig sein und ihre Askese selbst bestimmen. In der Tat sprechen
Euagrius und der Yerfasser der Historia Lausiaca noch von zahlreichen
wandernden Asketinnen. Über die 'Bußgewalt’ und andere irn Wesen des
Pneumatikers begründeten Rechte habe ich nach Holls trefflichem Buch
kein Wort zu verlieren und erwähne nur, daß Diadochus von Photike cap. 67
p. 82, 8, indem er für den Asketen als γνωστικός die pneumatische Rede (-θεο-
λογία) in Anspruch nimmt, ihm ausdrücklich die πνεύματα λειτουργικά zu-
schreibt.
Richard Reitzenstein:
dem Herrn sein Wort gegeben (λόγον διδόναι. θ-εώ, in der Mönchs-
literatur gleich έπαγγέλλεσθαί, θεω). Wenn er d.as Bischofsamt
annimmt, bricht er den Eid (sein Wort); die Rückkehr in die Welt
ist άμαρτία, das Bischofsamt selbst nur άφορμή τοΰ άμαρτάνειν
(c. 9 p. 532 C Migne). Athanasius beschwichtigt diese Bedenken
des Mönches durch den Hinweis darauf, daß nur Gottes Wille zum
Bischof macht, Gott also ihn seines Wortes entbindet und ihm
einen neuen Auftrag gibt, und daß er ja auch als Bischof die Askese
weiter üben kann 1. Daß Dracontius auch aus Hochmut zögert
und als Mönch Wunderkraft zu erwerben hofft, wird nur ange-
deutet. Auf diesen Gegensatz zwischen Mönchen und Klerikern
weist Hieronymus in seiner Schilderung der Remnuoth tadelnd hin
(vgl. oben S. 46) und erliegt doch selbst dem Mönchsempfinden,
wenn er den römischen Klerikern gegenüber aus seinem kurzen
Wüstenaufenthalt das Recht auf eine besondere Würdigung und
Geltung herleiten möchte. In einer ganzen Reihe von älteren
Mönchserzählungen kommt dieser Gegensatz unverhüllt zum Aus-
druck. Sie zeigen zugleich auch die Eingriffe der Mönche in die
Seelsorge, z. B. in der έπίσκεψις παρθένων, von der schon Hiero-
nymus redet 2. Aus diesem Gegensatz will der βίος ’Αντωνίου zu-
nächst begriffen werden. Er will zunächst den άποταξάμενοι ein
Yorbild ihres Lebens und eine der Kirche nicht schädliche, sondern
nach Überzeugung des Athanasius nützliche Betätigung weisen.
Von hier aus verstehen wir die Wahl der literarischen Yor-
lage. Der Vergleich der christlichen Askese mit der altgriechischen
Philosophie war durch die Entwicklung selbst gegeben; die 'Philo-
sophie’ war ihr Ruhm. Nur ein neues Bild der ecliten 'Philosophie’
1 Zögert Dracontius länger, so wird vielleicht ein Arianer eingesetzt. —
Den Standpunkt des Mönchs gegen den Bischof vertritt die Erzählung Histor.
Laus. c. 11 (p. 32 Butler): der echte Mönch wird lieber sich selbst verstüm-
meln, als sich von dem Bischof zur Übernahme des Amtes zwingen lassen.
2 Über die ursprünglich von den Gemeinden erhaltenen -αρθένοι und
χήραι hat der Bischof die Oberaufsicht. Die άποταξάμεναι müßten rechtlich
ganz unabhängig sein und ihre Askese selbst bestimmen. In der Tat sprechen
Euagrius und der Yerfasser der Historia Lausiaca noch von zahlreichen
wandernden Asketinnen. Über die 'Bußgewalt’ und andere irn Wesen des
Pneumatikers begründeten Rechte habe ich nach Holls trefflichem Buch
kein Wort zu verlieren und erwähne nur, daß Diadochus von Photike cap. 67
p. 82, 8, indem er für den Asketen als γνωστικός die pneumatische Rede (-θεο-
λογία) in Anspruch nimmt, ihm ausdrücklich die πνεύματα λειτουργικά zu-
schreibt.