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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 8. Abhandlung): Des Athanasius Werk über das Leben des Antonius: ein philologischer Beitrag zur Geschichte des Mönchtums — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.33311#0065
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Des Athanasius Werk über das Leben des Antonius.

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will der große Kirchenfürst zeichnen 1. Niclit in der Höhe der
γναίσις oder σοφία, sondern in dem tiefen Seelenfrieden lauterster
Herzensgüte soli sie sich bewähren. Sie hat sich in Demnt nnd
Friedfertigkeit zu äußern. Man erinnert sich unwillkürlich daran,
daß einst in dem ersten Kampf mit der Gnosis die Vertreter des
kirchlichen Christentums beständig betont haben, claß Sonderungs-
gelüste, Wetteifer und Streit nicht den Besitz, sondern den Mangel
des πνεΰμα beweisen. Von der Sorge um die inneren Angelegenheiten
der Gemeinde will Athanasius seine Mönche ganz ableiten. Der
Asket hat es nur mit sich selbst zu tun und empfindet jede Inan-
spruchnahme durch Weltchristen oder Heiden nur als Belästigung
oder Hemmung 2. So ist sein natürlicher Aufenthalt die Einöde;
hier vollzieht er zugleich für sich und die gesamte Christenheit
den Streit gegen den Satan und seine Heerscharen. An den Volks-
glauben, den er selbst teilt, knüpft Athanasius um so eifriger an,
als dieser seinem eigentlichen Zweck in wunderbarer Weise ent-
gegenkommt; statt des Strebens nach immer tieferer Erkenntnis
der Geheimnisse Gottes bietet er der Phantasie seiner Asketen
den Dämonenkampf und die Erkenntnis des Satans in all seinen
Verwandlungen und Verhüllungen. So können Ivirche und Asketen-
tum in Friede und Harmonie getrennt und doch nebeneinander
bestehen, und nur wenn Satan in seinen Dienern, den Ketzern, einen
Einbruch in die anerkannte Kirche versucht, mag diese seine
bewährtesten Gegner, die Asketen, zu Hilfe rufen.

So hat Athanasius ein Idealbild für das apotaktistische,
natürlich ursprünglich nicht auf Ägypten beschränkte Asketentum
geschaffen, und dies Idealbild hat zunächst in seiner Heimat
mächtige Wirkung geübt und später die Bildung des abendländi-

1 Dabei mochte auf das pythagoreische Ideal das Leben nicht weniger
als die Literatur führen. Daß es pythagoreische μονάζοντες in späterer Zeit
wirklich wieder gegeben haben muß, bezeugt schon die jüdische Nachbildung.
Das Idealbild eines κοινόβιον zeichnet Philostratus (vgl. Hellenist. Wunder-
erzählungen S. 70). Yor allem bietet die christliche Askese in den Einzel-
übungen (jahrelanges Schweigen, nächtliches Essen in der Verborgenheit,
nächtliches Herumwandern, άλουσία) so viel überraschende Parallelen zu der
Askese der Pythagoristen, daß man an eine direkte Beeinflussung durch das
Leben glauben muß. Auch die ganz verschiedenen Angaben über die Strenge
der von Pythagoras vorgeschriebenen Lebensweise lassen sich wohl nur auf
verschiedenen Brauch der hellenistischen Nachahmer zurückführen.

2 Selbst die Heidenbekehrung darf sein Antonius nicht als Aufgabe
betrachten; der λόγος πρός "Ελληνας darf nicht mit einer solchen schließen.
Nur indirekt wirkt Antonius auch bei seinem Erscheinen in Alexandria.

Sitzungsbericht der Heidelb. Akademie, phil.-hist. Kh 1914. 8. Abh.

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