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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 8. Abhandlung): Des Athanasius Werk über das Leben des Antonius: ein philologischer Beitrag zur Geschichte des Mönchtums — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.33311#0066
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66

Richard Reitzenstein:

schen Mönchtums ermöglicht 1. Es ist für Zeit und Persönlichkeit
von liöchster Bedeutung, daß er dabei das Bild wahrer und schlichter
Menschengröße gar nicht selhst zu entwerfen vermag 2 und die
Vorlage dafür ebenso unbedenklich der Antike entnimmt, wie
etwa Ambrosius für seine christliclie Pflichtenlehre. Aber der
Einfluß des Griechentums zeigt sich in der literarischen Entlehnung,
der des Ägyptertums 3 in den eigenen Zusätzen, dem Glauben an
jene Schaden- und Plagegeister, gegen die ein im Grunde doch
nur äußerlicher Karnpf geführt wird. Die Stellung des Neupytha-
goreismus zu dem allgemeinen Dämonenglauben der Zeit hat
die Verbindung der beiden Elemente vielleicht erleichtert, aber
sicher nicht veranlaßt 4. Sie bleibt gewaltsam. Und eine gewisse
Äußerlichkeit und Unausgeglichenheit verrät sich auch in der
Stellung des Athanasius zu dem Wunderglauben und der Wunder-
sucht der Asketen seiner Zeit 5. Er will sie zurückdrängen und
durch Besseres ersetzen und wagt doch nicht sie ganz beiseite zu
schieben. Die Folge dieser Halbheit ist, daß gerade sein Werk am
meisten für sie wirbt und am meisten dafür tut, ihr die Herrschaft
im Mittelalter zu sichern; ja man kann sagen, in dieser Vereinigung
grundverschiedener Elemente liegt eigentlich die werbende Kraft
des Werkes. Hohes und Niederes, eins wirkt hier durch das andere
und mit dem anderen. Aber verkehrt wäre es, über der Scheidung
der Grundbestandteile das neue christliche Element nicht zu sehen,
das sie zusammenhält, und bei dem Nachweis der literarischen
Quelle die individuelle Leistung nicht zu würdigen. Bot doch jene
Quelle nur die leblose Umrißzeichnung aus ferner Zeit. Athanasius,
der ganz im Gegensatz zu dem später typischen Heiligenleben
überwiegend ein Charakterbild zeichnen will, hat diesen Schatten-
riß ausgefüllt und belebt und in die eigene Gegenwart übertragen,
ja, er hat, indem er Menscliengröße und Seelenadel an dem bildungs-

1 Den Einfluß auf den Osten scheint mir Harnack, Texte u. Untersuchun-
gen XXXIX 3 S. 81 A. 2. viel zu groß anzusetzen.

2 Schon in dem Versuch liegt freilich eine gewisse Größe, deren der
Rhetor Hieronymus gar nicht fähig ist; er erzählt nur.

3 Sein erneutes Vordringen gerade in dieser Zeit hat Jos. Partsch in
dem Aufsatz Papyrusforschung (Die Geisteswissenschaften I Heft 13) geschil-
dert. Gerade das Eigenste in Athanasius will aus seinem Volkstum begriffen
werden.

4 Gerade der Ivampf fehlt hier.

5 Ich erinnere daran, wie kühl er in dem Briefe an Dracontius über das
äußere Wunder spricht.
 
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