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Saxl, Fritz [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1915, 6.7. Abhandlung): Verzeichnis astrologischer und mythologischer illustrierter Handschriften des lateinischen Mittelalters: [1] In römischen Bibliotheken — Heidelberg, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.34065#0017
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Einführung.

XVII

findende Rahmen hesagen wohte, er allem hat die räumhchen
Qualitäten des gerahmten antiken Vorlagebildes erfaßt. Er ahein
gibt auch die subtife Farbmodehierung der Vorlage wiedcr. Am
feinsten bei unserem Blatt vieheicht im Hintergrund, wo ein
leichtes Biau den Tiefraum, den Himmel, andeutet. Eine
Darstehung wie die des Urbin. könnte uns ebenso gut in
einem beliebigen profanen Ihustrationswerk der Frührenaissance
begegnen, z. B. als Bild eines Königs, und wir würden sie für
ganz echt und zeitgemäß halten. Anders die des Barb.76. Jeder,
der antike Handschriftenihustrationen kennt, man denke an die
berühmte Leidener Ikopie der Aratea aus karolingischer Zeit, wird
woh] das antike Vorbild herausfühlen.
Fassen wir diese Einzeibeobachtungen —- die sich beliebig
vermehren ließen — zusammen: Die Frührenaissance hat in
ihrem heißen Suchen nach Antichitä den sizilischen Godex ent-
deckt. Der Duca d^Urbino läßt ihn für sich kopieren, auch für
die Guardaroba Medicea wird eine Abschrift (der genannte God.
Laurent.) hergesteht, aber ihnen, die noch halb in ,,mittelalter-
licher" beschränkter Stofflichkeit stecken, ist von dem hohen
antiken Stil der Vorlage nichts klar geworden. Erst als gegen
das Jahrhundertende in Neapel ein Künstler, der sogar eine weit
geringere Begabung gewesen sein mag als die anderen, die alte
Vorlage neuerdings vervielfältigt, erst da ist es möglich, daß die
echten, hohen Stilqualitäten des antiken Vorbildes verstanden
werden: wir stehen an der Schwehe des Zeitalters, das wir
Hochrenaissance nennen.
Eines vor Allem wird an diesem Beispiel klar: Mittelalter und
Frührenaissance bilden gegenüber der Epoche vom Ende des
15. Jahrhunderts in ihrem Verhältnis zur antiken Form bis zu
einem hohen Grad eine geschlossene Einheit. Mit anderen Worten:
In jener Bewegung des Rinascimento spieltdie stoffliche Antike,
die einzige, die das Mittelalter bewußt gepflegt hat, eine hervor-
ragende Rolle. Es ist WARBURGS Verdienst, das immer und immer
wieder dargetan zu haben. Worin im Einzelnen die mittelalter-
liche Erfassung der antiken Bildwerke auf die Anschauung
der Frührenaissance vom Altertum eingewirkt hat, das soll an
anderer Stelle ausgeführt werden. Das jedoch ist wohl klar, daß
die in der Kunstgeschichte der neueren Zeit übliche Unter-
schätzung des Wertes der ikonographischen Untersuchung die

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