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Neumann, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]; Fraenger, Wilhelm [Bearb.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 4. Abhandlung): Drei merkwürdige künstlerische Anregungen bei Runge, Manet, Goya — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34075#0008
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G. NEUMANN :

Zwiebel wachsend: an der unteren Rahmenecke biegt sich das
Faserngitter der Wurzel seitwärts und nimmt in seine dunkle
Höhlung entgegenfließende Blätter und Blüten von Maiglöckchen
auf. Eine andere Umbildung zeigt die von AuBERT S. 114 wieder-
gegebene Zeichnung eines Entwurfes für den Morgen. Hier breiten
sich in freiester Natürlichkeit die Wurzelfasern als ein schützendes
schilfartiges Dach über den im Blumenkelch der Rahmenecke,
nicht im Fasernkäfig sitzenden Genius.
Runges Genien sind an diesem Ort seiner Rahmenarabesken
im Unterschied von Freiberg ungeflügelt, eine Änderung, die mit
den religiösen Grundvorstellungen seiner Tageszeitenbilder eng
zusammenhängt. Die Rahmen, weit entfernt, Ornamentschnörkel
zu sein, spinnen die Idee des Bildes fort. Nun ist für den Morgen
Erwachen aus dem Dunkel, Frühmusik, die die Stille scheucht,
das sich Aufrichten nachtschlafender Blüten Grundvorstellung.
Als künstlerisches Ausdrucksmittel dieser Gedanken, denen in den
ersten Zeichnungen und in den Stichen nur die leichtschraffierte
Fläche zur Verfügung steht, bietet sich bei der farbigen Ausführung
ein kräftiger Hell- und Dunkelgegensatz und der Anlaß der Malerei,
mehr in die Tiefe zu gehen (Brief an Tieck, Hinterlassene Schriften
I 230). Das Bild nimmt auch von unten nach oben an Helligkeit zu.
Damit verbindet sich die symbolische Vorstellung des Gegensatzes
von Erdenkindern, die flügellos an den Boden gebunden sind und
sich sehnen, und geflügelten Himmelsgenien, die im Licht oben
anbeten. Zweifellos ist cliese Rungesche Auffassung Ursache ge-
worden, daß er die Freiberger Engel ihrer Flügel beraubt hat. Sie
gehören bei ihm zum Wurzelteil, zum Dunkelteil seines Iiosmos.
Dies sprechen denn auch die zeitgenössischen Erklärer, Görres
in den Heidelbergischen Jahrbüc.hern und Milarch aus, die ein
heißes Sehnen nach der Höhe und ein Sprossen der Schwingen,
den Unterschied von Kindergestalten und Engeln deuten (Hinter-
lassene Schriften II 520, 531). Das ist rungisch richtig. Denn auf
dem Bild des Tages zeigt der Rahmen an einer steilen Königs-
kerze emporkletternde flügellose Genien. Doch klettern sie, wie
Daniel I 228 sagt, vergeblich, da die schwache treulose Spitze
der Blumen sich bald umbiegt. Ein leerer Himmelsraum und
Gewölk scheiden diese Szene von dem über derselben schwebenden
Kelch der Passionsblume, auf welchem zwei Engel knieend das
oben erstrahlende Symbol der Dreieinigkeit anbeten. Diesen
zweifellos Rungeschen Sinn spinnt AuBERT S. 78 dahin aus, was
 
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