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Neumann, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]; Fraenger, Wilhelm [Bearb.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 4. Abhandlung): Drei merkwürdige künstlerische Anregungen bei Runge, Manet, Goya — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34075#0022
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18

C. NEUMANN :

,,Faustkämpfers" tatsächlich als erwiesen vor — so dürfte man
sich wohl hiliig wundern, wie Goya ihn in einer so ganz unge-
wöhnlichen Sicht aufzunehmen wußte (die in der Bildbeigabe
des ,,Faustkämpfers" eine von uns im Interesse der Verglei-
chung absichtlich gewählte ist). BeiBrueghel aberwar ihm
die sehr originelle Flankenansicht der Figur von vornherein
gegeben. Vor allem aber: Hier fand er nicht nur ein äußeres
Figurenmotiv, das ihn nach seinem Aufbau fesseln konnte. Hier
war die Gestalt schon clurchaus phantastisch konzipiert.
Er brauchte es sich nicht mehr zur Aufgabe zu machen, eine
menschliche Gestalt zum Dämon zu steigern, was dem ,,Faust-
kämpfer" gegenüber seine Leistung wäre — bei Brueghel stände
er auch, was den Bildinhalt betrifft, in einem seiner Art ver-
wandten Gedankenkreise und was ilim übrig blieb, wäre, daß
er den phantastischen Gedanken, den er in Brueghels Dukaten-
riesen finden konnte, umschmolz und zu erweitertem Sinne um-
deutete.
Beim Betrachten von Brueghels wahrhaft gigantisch ein-
gekleideter Allegorie des die Welt überwuchernden Reichtums,
der sich zum alles beherrschenden Riesen gemästet hat, will uns
— der Größe der gedanklichen Iionzeption verglichen — die allzu-
wörtliche Bildübersetzung des altflämischen Sprichwortes fast
zu niedrig anmuten, sieht man da die Menschenzwerge so beflissen
in den Tunnel des ungeheuerlichen Gesäßes kriechen. Das Sprich-
wort lautet: ,,Die ghelt te gheven heeft onder hooghe en slechte,
En dat hij wat mist laet van synen schat druijpen, Hij crijcht
offitien en comt Fsynen rechte, Want elck en weet niet hoe hem
sal in t'ghat cruijpen", und der französische Text reimt es kurz
folgendermaßen:
,,On ne sait comme entrer on veut
Au trou de cil qui donner peut."
Den Humor des Sprichworts, die krasse Proportionierung des
Reichen und seiner Ivlienten hat denn Brueghel, wie gesagt,
reichlich wörtlich genommen.
Mannigfach sind die Ubereinstimmungen zwischen dem Bild
Goyas und dem von Brueghel. Auf beiden Darstellungen sitzt der
Riese am Rande eines Hügels. Baut der Niederländer auch eine
Anzahl Berge dem Hintergrund zu, so ist doch fast der Gesamt-
körper seines Dukatenspenders gegen den Himmel silhouettiert.
 
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