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Soltau, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 6. Abhandlung): Das vierte Evangelium in seiner Entstehungsgeschichte dargelegt — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34077#0033
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Das vierte Evangelium.

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demgegenüber alsbald auf ihre eigene evangelische Tradition:
auf den Apostel Johannes, der nach ihrer besonderen Uberlieferung
(18, 28; 19, 25f.) den 14. Nisan als den Todestag Jesu angegeben
hatte. Es muß hier dahingestellt bleiben, inwieweit dieses Be-
streben im einzefnen zur Texterweiterung und zum Abschluß
eines eigenen Johannesevangeliums geführt hat. Sicher ist, daß
im Anfang des zweiten Jahrhunderts der Glaube der Kdeinasiaten
sich hierbei auf den Apostel Johannes stützte und sie ihr Ghristen-
tum auf ihn zurückführten. Und dieser Glaube war sicherlich
äfter^ als der Gfaube, daß Petrus die römische Gemeinde gestiftet
und in ihr gelehrt habe (vgf. oben S. 28).
Beim Johannesevangeiium kam aber, nachdem es durch R
ergänzt war, noch etwas Anderes hinzu, um seine Autorität zuheben.
Nicht bloß Ephesus, sondern auch Antiochia fegte jetzt Wert auf
die Tradition, welche auf die Säuienapostef Acta 8, lf. und nach
dem Tode des Jakobus auf Petrus und auf Johannes zurück-
ging. Wenn im Evangelium irgendwelche Spuren jener Johanne-
ischen Lehre von der Liebe nachweisbar sind, welche afs besonders
charakteristisch für den Jünger gaft, den der Herr fieb hatte, so
sind es Joh. 15, 8 und Joh. 16, 22—33. Beide gehörten mit zu
den ursprünglichsten apostoiischen Erinnerungen des ganzen '
vierten Evangeliums^, ebenso wie manche Worte des hohenpriester-
lichen Gebetes, das jetzt durch Wiederholungen und Weitschwei-
figkeit nicht gewonnen hat.
Diese Prätension der Gemeinde von Antiochia also — mag
sie nun mehr oder weniger gut begründet gewesen sein — hat die
Erweiterung von G zu einem voliständigen Evangeiium unter dem
Namen des Johannes mitgefördert und sodann die Einlegung
von größeren Redestücken aus R herbeigeführt, ohne daß den
Bearbeitern das Fremdartige der Zusätze besondere Skrupef ge-
macht hätte. Wahrscheinlich hielten sie solche Erweiterungen
für notwendig, um die ganze Fülfe der durch Christus den Men-
schen zuteil gewordenen Offenbarung darzustelfen und dadurch
weiteren trrlehren siegreich entgegenzutreten.
Nicht überall war man gleicher Ansicht; namentlich nicht im
Okzident. Es bedurfte erst der Einführung des Jüngers ,,den der
Herr lieb hatte", als Augenzeugen (19, 34—35), um Widersprüche
1 S. meine TAesen n&er die .ZDUHpc/HMng einer Jo^ctaneLcAeM Luera^Mr.*
ZeüscA/'. /. wZss. TAeoZogZe 1911, 341.
2 ^mdJersm&e 1916.


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