Alexandrinische Studien.
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unerklärlich bei der Annahme, es habe sich um ein echtes und
rechtes Ekklesiasterion gehandelt. In diesem Falle hätte Vitruv
von einem „Versammlungshaus, welches die Form eines kleinen
Theaters hat“, gesprochen, nicht aber von einem „kleinen Theater,
welches Versammlungshaus genannt wird“. Wie er sich ausdrückt,
muß man auf den Gedanken kommen, daß tatsächlich in Tral-
les ein kleines Theater nebenher als Ekklesiasterion diente. Wir
wissen, daß die antiken Volksversammlungen in den Theatern ab-
gehalten wurden. Vom Theater entlehnen die Versammlungshäuser
von Priene und Milet ihre Form. Es muß eine Übergangsstufe
gegeben haben, in der ein kleines gedecktes Theater gleichzeitig
als Lokal für Aufführungen und als Versammlungsraum gedient
hat, ehe sich beide Typen endgültig schieden. So war in Pleuron
das Theater nebenher Ekklesiasterion und in Megalopolis ist
das Thersilion wohl erst nachträglich an das Theater angebaut1.
Gewiß ist nicht undenkbar, daß eine solche Vereinigung im Alter-
tum durchaus nicht heterogener Elemente in Tralles Vorgelegen
hat, daß Apaturios seine Skenographie also nicht für das Ekkle-
siasterion, sondern für das mit ihm identische theatrum, für die
Bühne, malte.
Unsere Erklärung der eigentümlichen Fassung der Vitruvstelle
hebt die Schwierigkeiten, die bisher aus ihr erwuchsen. Nach
unserer Meinung hat Apaturios tatsächlich eine Bühnenmalerei der
alten gewohnten Art, die sich von Agatharchos und von Apollo-
doros herleitet, geben sollen. Statt dessen brachte er die Errungen-
schaften der Neuzeit, die den Größen von Tralles gewiß nur des-
halb nicht behagen wollten, weil sie ihnen unbekannt waren, und
die Provinz nicht Dinge zu übernehmen wagte, welche von den
Hauptstädten abgelehnt wurden.
Als Ergebnis erhalten vor also, daß die Skenographie des
Apaturios ganz ordnungsgemäß für ein Theater bestimmt war und
deswegen für das Privathaus nichts beweist, ebenso wie wir oben
erkannten, daß für bühnenartige Malerei im Hause des Alkibiades
auch nicht der Schatten eines Beweises vorliegt. Man darf beide
Fälle nicht als Zeugnisse für Architekturmalerei im östlichen
Privathaus in Anspruch nehmen.
1 Herzog-Ziebarth, Athen. Mitt. XXIII, 1898, S. 325; Excavations
at Megalopolis, 1892, J. H. St. Suppl. I, Taf. Y. Den ersten Hinweis verdanke
ich O. Weinreich, den zweiten C. Robert.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1917. 12. Abh.
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unerklärlich bei der Annahme, es habe sich um ein echtes und
rechtes Ekklesiasterion gehandelt. In diesem Falle hätte Vitruv
von einem „Versammlungshaus, welches die Form eines kleinen
Theaters hat“, gesprochen, nicht aber von einem „kleinen Theater,
welches Versammlungshaus genannt wird“. Wie er sich ausdrückt,
muß man auf den Gedanken kommen, daß tatsächlich in Tral-
les ein kleines Theater nebenher als Ekklesiasterion diente. Wir
wissen, daß die antiken Volksversammlungen in den Theatern ab-
gehalten wurden. Vom Theater entlehnen die Versammlungshäuser
von Priene und Milet ihre Form. Es muß eine Übergangsstufe
gegeben haben, in der ein kleines gedecktes Theater gleichzeitig
als Lokal für Aufführungen und als Versammlungsraum gedient
hat, ehe sich beide Typen endgültig schieden. So war in Pleuron
das Theater nebenher Ekklesiasterion und in Megalopolis ist
das Thersilion wohl erst nachträglich an das Theater angebaut1.
Gewiß ist nicht undenkbar, daß eine solche Vereinigung im Alter-
tum durchaus nicht heterogener Elemente in Tralles Vorgelegen
hat, daß Apaturios seine Skenographie also nicht für das Ekkle-
siasterion, sondern für das mit ihm identische theatrum, für die
Bühne, malte.
Unsere Erklärung der eigentümlichen Fassung der Vitruvstelle
hebt die Schwierigkeiten, die bisher aus ihr erwuchsen. Nach
unserer Meinung hat Apaturios tatsächlich eine Bühnenmalerei der
alten gewohnten Art, die sich von Agatharchos und von Apollo-
doros herleitet, geben sollen. Statt dessen brachte er die Errungen-
schaften der Neuzeit, die den Größen von Tralles gewiß nur des-
halb nicht behagen wollten, weil sie ihnen unbekannt waren, und
die Provinz nicht Dinge zu übernehmen wagte, welche von den
Hauptstädten abgelehnt wurden.
Als Ergebnis erhalten vor also, daß die Skenographie des
Apaturios ganz ordnungsgemäß für ein Theater bestimmt war und
deswegen für das Privathaus nichts beweist, ebenso wie wir oben
erkannten, daß für bühnenartige Malerei im Hause des Alkibiades
auch nicht der Schatten eines Beweises vorliegt. Man darf beide
Fälle nicht als Zeugnisse für Architekturmalerei im östlichen
Privathaus in Anspruch nehmen.
1 Herzog-Ziebarth, Athen. Mitt. XXIII, 1898, S. 325; Excavations
at Megalopolis, 1892, J. H. St. Suppl. I, Taf. Y. Den ersten Hinweis verdanke
ich O. Weinreich, den zweiten C. Robert.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1917. 12. Abh.
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