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Pagenstecher, Rudolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 12. Abhandlung): Alexandrinische Studien — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37645#0056
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54

Rudolf Pagenstecher:

erinnert hat, so darf man doch darüber nicht vergessen, daß einer-
seits der Kopf weit hinausgeht über das was dieser Meister geleistet
hat, und daß anderseits auch in Lysipp noch polykletische Elemente
erhalten sind.
Die Übereinstimmung im Motiv ist kein Grund, beide Werke
dem gleichen Meister — einem unbekannten Künstler — zuzu-
schreiben. Unterschiede namentlich des Mittelkörpers sind vor-
handen, wenn ich auch z. B. die geringere Durcharbeitung der
Brust und der Rippen, sowie die gröberen Fußknöchel am Hermes
von Stuttgart auf Rechnung des nicht sehr tüchtigen Kopisten
setzen möchte. Die Kleinheit der Replik verbietet eingehendere
stilistische Analyse. Das größere und etwas feinere BissiNGSche
Stuckmodel] zeigt schon sehr viel sorgfältigere Arbeit an Hand
und Bein. Da ferner das in beiden Statuen erhaltene Motiv sel-
tener ist als man denken könnte, scheint mir die Forderung unab-
weislich, beide Bronzewerke zum mindesten zeitlich einander nach
Möglichkeit zu nähern. Für die Zeitbestimmung aber ist uns in
der Gründung Alexandriens ein Punkt gegeben, über den wir
nicht hinausgehen dürfen. Ein griechisch-ägyptischer Hermes kann
erst nach der Eroberung Ägyptens durch Alexander entstanden
sein, wird sogar kaum bereits den ersten Jahren der Stadt seine
Schaffung verdanken. Das Original ist damit als nicht vorlysip-
pisch erwiesen und die Möglichkeit näher gerückt, es unter dem
Einfluß eines Werkes des Meisters selbst um die Wende des vierten
Jahrhunderts entstanden zu denken.
Wie ich meine, besitzen wir diese eigene Schöpfung des Ly-
sipp in der Statuette des Louvre, welche Winter zuerst als den
berühmten Alexander mit der Lanze erkannte, und die, auch
wenn Thiersch mit seiner mir unwahrscheinlichen Bevorzugung
des Medaillons Anm Aboukir recht behalten sollte, auf jeden Fall
ein ganz hervorragendes Alexanderbild Lysipps wiedergibt1. Die
Auffassung der Statuette ist unendlich viel grandioser als die des
Goldreliefs: mächtig schreitet der Herr der Welt einher, das Erden-
rund ausmessend, doch leichten federnden Schrittes. Weit seit-
wärts vorgestreckt ist der linke Arm, der die Lanze stützte, wie
gerade in unterägyptischen Bronzen Dionysos seinen Stab2, Avie
] Winter, Arch. Anz. X 1895, 163; H. Thiersch, Arch. Jahrb. XXIII
1908, 62ff. Ada Mayiglia, L’attivitä artistica di Lisippo, Roma 1914, leugnet
unbegreiflicher Weise den lysippischen Stil des Alexander mit der Lanze.
2 Arch. Jahrb. XXVII 1912, 167,1.
 
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