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Max Walleser:
Mit der Interpretation des Simhabhadra, die wir oben S. 4
kennen lernten, stimmen sie insofern überein, als es sich bei dem
Verweilen (vihära) in der „Streitlosigkeit“ nicht nur um den inneren
Frieden, die Seelenruhe des von ihm Erfüllten handelt, sondern ganz
besonders auch um die nach außen hin zutage tretende Friedfertig-
keit, welche andere Menschen davon abhält, in Streit zu geraten.
So fällt auch auf die zunächst einigermaßen befremdliche Angabe in
Simhabhadras Astasähasrikä-Kommentar, daß infolge dieser Streit-
losigkeit in dem Geiste (santäna) anderer keine Schädigung, sei es
eigene oder fremde, entstehe, einiges Licht. Dann gestattet aber
auch die chinesische Wiedergabe des Ausdrucks ranct mit ff1 eine
genauere Definition des Begriffs, der sowohl im Sanskrit (wegen
der Unbestimmtheit des Terminus rana) als im Tibetischen (weil
er hier überhaupt nicht wörtlich wiedergegeben, sondern durch das
übliche Substitut für ssk. Jclesa, tib. non-mons-pa, vertreten wird) zu
verschiedenen Interpretationen zum mindesten die Möglichkeit bietet.
Die einheimischen chinesischen Wörterbücher stimmen darin
überein, daß sie dem Ideogramm W eine doppelte Aussprache und
zugleich eine entsprechende zweifache, wenn auch nicht erheblich
differierende Bedeutung beilegen. Nach dem K’ang1-hsi1-tzw4-tienB
(JÜ fni vf- ^ )> das selbst wieder auf dasT’ang2-yün4(Ht alt), Shuo1-
wen2 (fft u. a. verweist, hat es bei der Aussprache chengi die
Bedeutung „Vorwürfe, Vorhalte machen“, mit der Nebenbedeutung,
daß eine Besserung herbeigeführt werden soll ; als Beispiel dieser
schon während der Älteren Han-Dynastie (188 v. Chr. bis 221 n.
Ghr.) üblichen Ausdrucksweise wird u. a. der Satz angeführt, daß,
wenn der den Vorhalt machende Beamte beim Fürsten Gehör finde,
der Erfolg günstig sei, andernfalls er aber Gefahr laufe, sein Leben zu
verlieren. Während dies die ältere und wohl auch ursprüngliche
Bedeutung des Wortes war, scheint es späterhin, und zwar schon zu
der Zeit der Späteren Han, unter Veränderung des Tones (^
sheng1)) vollständig mit ^ cheng1 „mit Worten streiten, debattieren“
zusammengefallen zu sein. Man vergleiche hiermit das aus derselben
Zeit datierte Beispiel „mit gleich (starken) Gründen debattieren
(2jl3g ff f£).« Nun wäre immerhin in Betracht zu ziehen, daß,
nachdem man bis zum dritten Jahrhundert n. Ghr. nur drei Ton-
(sÄe;?i/)-Klassen unterschieden hatte, erst von da ab der „eingehende“
Ton {cli w4 sheng1) 'är tfiO sich bildete1) und daß daher eine Ver-
b Vgl. Edkins, Grammar of the Chinese colloquial language (Mandarin dialect),
Max Walleser:
Mit der Interpretation des Simhabhadra, die wir oben S. 4
kennen lernten, stimmen sie insofern überein, als es sich bei dem
Verweilen (vihära) in der „Streitlosigkeit“ nicht nur um den inneren
Frieden, die Seelenruhe des von ihm Erfüllten handelt, sondern ganz
besonders auch um die nach außen hin zutage tretende Friedfertig-
keit, welche andere Menschen davon abhält, in Streit zu geraten.
So fällt auch auf die zunächst einigermaßen befremdliche Angabe in
Simhabhadras Astasähasrikä-Kommentar, daß infolge dieser Streit-
losigkeit in dem Geiste (santäna) anderer keine Schädigung, sei es
eigene oder fremde, entstehe, einiges Licht. Dann gestattet aber
auch die chinesische Wiedergabe des Ausdrucks ranct mit ff1 eine
genauere Definition des Begriffs, der sowohl im Sanskrit (wegen
der Unbestimmtheit des Terminus rana) als im Tibetischen (weil
er hier überhaupt nicht wörtlich wiedergegeben, sondern durch das
übliche Substitut für ssk. Jclesa, tib. non-mons-pa, vertreten wird) zu
verschiedenen Interpretationen zum mindesten die Möglichkeit bietet.
Die einheimischen chinesischen Wörterbücher stimmen darin
überein, daß sie dem Ideogramm W eine doppelte Aussprache und
zugleich eine entsprechende zweifache, wenn auch nicht erheblich
differierende Bedeutung beilegen. Nach dem K’ang1-hsi1-tzw4-tienB
(JÜ fni vf- ^ )> das selbst wieder auf dasT’ang2-yün4(Ht alt), Shuo1-
wen2 (fft u. a. verweist, hat es bei der Aussprache chengi die
Bedeutung „Vorwürfe, Vorhalte machen“, mit der Nebenbedeutung,
daß eine Besserung herbeigeführt werden soll ; als Beispiel dieser
schon während der Älteren Han-Dynastie (188 v. Chr. bis 221 n.
Ghr.) üblichen Ausdrucksweise wird u. a. der Satz angeführt, daß,
wenn der den Vorhalt machende Beamte beim Fürsten Gehör finde,
der Erfolg günstig sei, andernfalls er aber Gefahr laufe, sein Leben zu
verlieren. Während dies die ältere und wohl auch ursprüngliche
Bedeutung des Wortes war, scheint es späterhin, und zwar schon zu
der Zeit der Späteren Han, unter Veränderung des Tones (^
sheng1)) vollständig mit ^ cheng1 „mit Worten streiten, debattieren“
zusammengefallen zu sein. Man vergleiche hiermit das aus derselben
Zeit datierte Beispiel „mit gleich (starken) Gründen debattieren
(2jl3g ff f£).« Nun wäre immerhin in Betracht zu ziehen, daß,
nachdem man bis zum dritten Jahrhundert n. Ghr. nur drei Ton-
(sÄe;?i/)-Klassen unterschieden hatte, erst von da ab der „eingehende“
Ton {cli w4 sheng1) 'är tfiO sich bildete1) und daß daher eine Ver-
b Vgl. Edkins, Grammar of the Chinese colloquial language (Mandarin dialect),