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Preuschen, Erwin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 15. Abhandlung): Untersuchungen zum Diatessaron Tatians — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37677#0004
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Erwin Preuschen:

Grundsätze aber waren, einmal die am besten beglaubigte Les-
art unbedingt aufzunebmen3), zum andern, als die beste Lesart
die der ältesten Zeugen, sofern sie übereinstimiuen, anzusehen.
Da die ältesten Handschriften nicht über das 4. Jahrhundert herab-
gingen, steckte sich Lachmann kein anderes1 Ziel, als den Text
so herzustellen, wie er in den letzten Jahren des 4. Jahrhunderts
gelesen ward. Indem er auf den Versuch, die Handschriften nach
Familien und Stämmen zu gruppieren, verzichtete4), begnügte er
sich, den Unterschied eines im Osten und eines1 imi Westen ge-
brauchten Textes festzuhalten, den ersteren aufzusüchen und, wo
diese Zeugen eine Entscheidung nicht zuließen, diese dem abend-
ländischen Text zuzuschieben. Die Grenzen seiner Leistung
waren J^achmann selbst wohl bewußt, und heute ist es kein
Kunststück, an seiner Leistung Kritik zu üben.5) Das Verdienst,
einer wahrhaft wissenschaftlichen Behandlung der Textkritik Bahn
gebrochen zu haben, sollte aber Lachmann doch nicht geschmälert
werden, und das um so weniger, als die Textkritik auch heute
noch grundsätzlich nicht viel weiter gekommen ist, als Lachmann
war. Sie hat nur vermocht, die Hilfsmittel in einem weit aus-

8) Für Griesbach galt noch der Grundsatz, von der recepta nur dann ab-
zugehen, wenn ihr Text unhaltbar erschien. Lachmann setzt an die Stelle der
Frage: 'Ist Ursach vorhanden, von der gewöhnlichen Lesart abzugehn?’ die
andere: 'Ist Ursach vorhanden, von der am besten bezeugten Lesart abzugehn?’
(Studien u. Kr. 1830, S. 818). Damit ist dem textus receptus der Laufpaf3
gegeben.
4) Die Grundlinien hat Lachmann mit klarem Blick erkannt. Die große
Arbeit, die v. Soden mit beharrlichem Fleiß und unter Aufwendung gewaltiger
Summen darangesetzt hat, die Überlieferung in das Schema von Stämmen zu
pressen, hat wenigstens den Beweis erbracht, daß das nur im großen ganzen
durchführbar ist. Wenn man im Auge behält, daß das N. T. keine einheitliche
Schrift ist, sondern ein Corpus von 27 Schriften, so wird man sofort damit
rechnen, daß die Überlieferungsmöglichkeiten fast zahllos sein können.
• 5) Wenn Gregory, Textkritik des N. T. II, 1902, S. 966 ff', nur Ausstellungen
an der Arbeit von Lachmann zu machen weiß, so ist das vielleicht damit zu
entschuldigen, daß es ihm nicht so sehr auf eine Darstellung des Geleisteten als
auf eine Vorbereitung des zu Leistenden ankam, obgleich auch eine solche eine
billigere Beurteilung der Vorgänger vertragen dürfte. Diese Entschuldigung fällt
weg hei dem der allgemeinen Orientierung dienenden Artikel „Bibeltext des N. T.“
in Herzog-Haucks Real-Enzyklopädie f. pr. Theol. u. Kirche 3 II, 1897, S. 758 ff.,
den mit Benutzung von Tischendorfs älterem, mit viel Voreingenommenheit
und nicht ohne Selbstgefälligkeit geschriebenen Artikel v. Gebi-iardt neu bearbeitet
hat. Gerechter urteilt Kenyon im Handbook of Textual Criticism of the N. T.2
1913, p. 286 ff.
 
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