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Preuschen, Erwin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 15. Abhandlung): Untersuchungen zum Diatessaron Tatians — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37677#0015
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I. Das Diatessaron und seine Bedeutung für die Textkritik der Evangelien. 15

besondere Redaktion der Paulusbriefe aufweisenden Bibel be-
gnügte. Es ist schwer vorzustellen, daß Tiatiap, der zu derselben
Zeit wie Markion in Rom wirkte, seine Probleme ohne Rücksicht
auf diesen verfaßt haben könnte, wenn damals die Antithesen be-
reits Vorgelegen hätten. Wäre -das Buch aus der Polemik gegen die
Markioniten erwachsen, so würde Rhodon, dessen Äußerungen
aus einem antimarkionitischen Werk stammen, darüber gewiß eine
Andeutung hinzugefügt haben, um so mehr, als ihm die Bekämp-
fung der Markioniten besonders am Herzen lag.31) Da das nicht
der Fall ist, wird man die Selbständigkeit von Tatians Schrift
annehmen dürfen und eher der Vermutung ein Recht einräumen,
daß im Gegenteil Markions Antithesen nicht ohne Beeinflussung
durch Tatian entstanden sind. Wie dem auch sein mag, jedenfalls
hat Tatian die Schwierigkeit, in der sich das Christentum gegen-
über dem Alten Testament befand, empfunden und mit der Schtoff-
heit, die ein Kennzeichen seines Wesens ausmacht, auch zum
Ausdruck gebracht.
Diese grundsätzlichen Erörterungen bilden nicht das einzige
Seitenstück zu der schriftstellerischen Tätigkeit Markions. Es ist,
oben bemerkt, daß Markion in Durchführung seiner Grundsätze
auf den Gebrauch des Alten Testamentes vollkommen verzichtete.
Da er den im Judentum offenbarten gerechten Gott von dem
gütigen Gott, dem Vatergott Jesu, trennte, konnte er keine Ur-
kunde brauchen, die ausschließlich ein Zeugnis dieses Unter-
gottes war. Ebenso mußte er von christlichen Schriften alles
das verwerfen, was den engen Zusammenhang zwischen der Syna-
goge und der entstehenden jungen Gemeinde zur Schau trug. Von
den Aposteln ließ er daher nur den gelten, der sein Leben lang
im Streit mit der Synagoge gelegen hatte; aber auch in seinen
Briefen glaubte er Spuren judaistischer Bearbeitung zu bemerken,
die er beseitigen zu müssen meinte, ehe er diese Zeugnisse eines
3I) Nach Eusebius, h. e. Y 13, 1 hat er mehrere Schriften, u. a. auch gegen
die Markioniten verfaßt (διάφορα συντάΕας βιβλία, μετά των λοιπών καί προς την
Μαρκίωνος παρατετακται αί'ρεσιν). Leider ist das wenige, was Eusebius auf-
bewahrt hat, die einzige Quelle unseres Wissens um Rhodon. Die Zusammen-
hänge, die zwischen den verschiedenen Schulen bestanden haben, würden uns
deutlicher sein, wenn wir nicht auf die kümmerlichen Fetzen einer einst reichen
Literatur angewiesen wären. Über Rhodon s. Routh, Reliquiae sacrae 2 I, 443 ff.
Hilgenfeld, Ketzergesch. d. Urchristentums, 1884, S. 532 f. und meinen Art. in
der Real-Enzyklop. f. Theol. u. Kirche 3 17, S. 741 f., wo der Aufenthalt Tatians
in Rom zu spät angesetzt ist.
 
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