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Preuschen, Erwin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 15. Abhandlung): Untersuchungen zum Diatessaron Tatians — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37677#0016
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16

Erwin Preuschen:

judeSäfreien Glaubens seiner Gemeinde in die Hand gab. Ebenso
konnte für ihn von den Darstellungen des Lebensbildes Jesu nur
die des Paulusschülers Lukas in Betracht kommen, aus der aber
wie bei Paulus erst, die von der Hand judaistischer Bearbeiter
kommenden Übermalungen entfernt werden mußten. So gewann
Markion an Stelle des Alten Testamentes eine Sammlung rein
christlicher Schriften, die Bichtschnur für Glaube und Sitte ab-
geben konnten.32) Sie umfaßte Evangelium und Apostelschriften,
und zwar in der Beschränkung, die durch die Anschauungen
Markions geboten war.
Es kann nun kein reiner Zufall sein, daß Tatia.n auch hier
mit seiner schriftstellerischen Tätigkeit neben Markion trat.. Tütian
hat dem Alten Testament eine Schriftensammlung gegenüber-
gestellt, die 1. ein Evangelium, das Diatessaron, enthielt, und
2. eine bereinigte Ausgabe des Apostels. Es mag gestattet sein,
die oben angeführten Worte des Eusebius (IV 29, 6) hier noch-
mals zu wiederholen: „Tatian hat — ich weiß nicht., wie ich es
ausdrücken soll — eine Zusammenklitterung und Sammlung der
Evangelien hergestellt und sie «Vierklang» genannt, die bis auf
den heutigen Tag noch bei manchen in Gebrauch ist.. Mali be-
hauptet ferner, daß er manche Worte des Apostels umschrieben
habe, in der Absicht, die Syntax seiner Ausdrucksweise zu ver-
bessern.“ Wen Eusebius, der zum Teil eingestandenermaßen ohne
eigene Kenntnis der Schriften redet, unter „dem Apostel“ versteht,
kann nach dem ältesten Sprachgebrauch33) nicht zweifelhaft sein:
32) Das Neue Testament Markions ist zwar als Ganzes verloren; aus zahl-
reichen Anführungen, besonders bei Tertullian und Epiphanius läßt sich aber
noch ein großer Teil wiedergewinnen. Einen ausgezeichneten Versuch der Wieder-
herstellung hat Th. Zahn unternommen, Gesch. d. ntl. Kanons II 2, 1892, S. 409 ff.,
wozu die Erörterung I 2, 1889, S. 585 ff. hinzugenommen werden muß.
®3) Dieser Sprachgebrauch ist in der altsyrischen Kirche noch festgehalten.
Aphrahat spricht von Paulus an zahlreichen Stellen als von dem Apostel, meist
ohne auch nur seinen Namen zu nennen. Die katholischen Briefe und die Apo-
kalypse kennt er nicht. Vgl. dazu Zahn, Gesch. d. ntl. Kanons I, S. 375 f. Zur
Ergänzung dient der Aufsatz: „Das N. T. Theodor v. Mops. u. der ursprüngliche
Kanon der Syrer“, Neue kirclil. Zeitschr. XI (1900), S. 788 ff. W. Bauer, Der
Apostolos der Syrer, 1903. Denselben Sprachgebrauch kann man auch noch
bei Irenaus verfolgen. Er nennt, wo er Stellen aus den paulinischen Briefen
anführt, meist den Namen des Paulus. Nicht ganz selten begnügt er sich
aber damit, nur von 'dem Apostel’ zu sprechen: IV j21, 1: apostolus docuit
in ea epistola, quae est ad Galatas. 21, 2: in ea enim epistola, quae est
ad Romanos, ait apostolus; IV 27, 3: et lioc autem apostolum in epistola,
 
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